Berlin. Der E-Commerce in Deutschland rechnet mit zweistelligen Wachstumsraten. Allerdings dominieren weiterhin US-Player den Markt, und mehr als 70 Prozent der deutschen E-Commerce-Unternehmen könnten schon bald wieder vom Markt verschwinden – wenn sie sich nicht immer wieder neu erfinden. Dies war Tenor auf dem 11. Onlinehandels-Kongress am 21. und 22. Januar in Bonn.
Besonders gefährdet sahen einige Teilnehmer die reinen Online-Shops ohne zusätzliche physische Präsenz oder Showroom. Hier seien sogar bis zu 90 Prozent bedroht. „Es wird eine Konsolidierung erwartet, bei der nur die besten in ihrem Segment überleben“, sagt Alexander Graf. Er ist Herausgeber von Kassenzone.de, einer Informationsplattform rund um den E-Commerce. Apple beispielsweise mache es vor, immer wieder innovativ zu sein. „Oder auch Amazon. Da gibt es nicht nur große Technologie-Entwicklungen, sondern ständig vermeintlich kleine Neuerungen zum Beispiel bei den Lieferservices“, so Graf.
Um sich neu zu erfinden, müssten es nicht immer gleich disruptive Neuerungen sein, sagt auch Hartmut Deiwick. Er ist kaufmännischer Leiter der Online-Apotheke Aponeo. Aber: „Selbst für kleine Neuerungen braucht es Kapital, Ideen und Mut.“ Auf allen drei Ebenen gebe es in Deutschland Verbesserungsbedarf. Viele Ideen gingen schon von vornherein in den internen Strukturen der Firmen unter. Immerhin: Es gibt positive Beispiele vor allem aus dem Bereich Kundenansprache und Kundenbetreuung. Manche Unternehmen antworten mit Videobotschaften auf Kundenanfragen, andere bauen eigene Call-Center mit Experten auf, statt solche Services an anonyme Dritte auszulagern. „Die Individualisierung im Umgang mit den Kunden ist ein Differenzierungsmerkmal, das immer wichtiger wird“, so Deiwick.
Die Konferenz zeigt darüber hinaus: Auch die Angebote und ihre Darstellung im Web-Shop werden mehr und mehr individualisiert. „Es ist längst ein Datenkrieg losgebrochen“, sagt Aline Eckstein. Sie ist Senior Strategy Consultant der Bluetrade GmbH – ein Beratungsunternehmen für den E-Commerce. „Jeder sammelt Daten und analysiert das Kundenverhalten, um zielgenauer arbeiten zu können. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass neben quantitativen Analysen auch qualitative Aspekte wichtig sind.“ So sei beispielsweise nicht nur die Frage wichtig, wann ein Online-Kunde einen Kaufvorgang abbricht – das lasse sich leicht erheben – sondern auch warum. Statt „big data“ brauche man „smart data“, um den Kunden besser zu verstehen. Ein Fazit der Veranstaltung: Der Kunde hat im traditionellen Handel immer im Fokus gestanden. Das ist im Online-Handel nicht anders.
Wenn der Kunde im Mittelpunkt steht, dann müssten Händler aber auch den Kaufvorgang bis zu Ende denken. Das heiße, stärker auf die Auslieferung zu fokussieren. „In Asien joggen manche Lieferanten die letzten Meter bis zum Kunden. Das zeigt Leidenschaft“, so Deiwick. Ganz so weit müsse man hierzulande nicht gehen: „Es reicht, wenn der Online-Handel die bestehenden Angebote seiner Logistik-Dienstleister besser nutzt.“ Hier seien Innovationen wiebeispielsweise die Zustellung der Ware zum Wunschtermin noch am Tag der Bestellung vorhanden. Deutsche Händler nehmen solche Angebote ihrer Logistik-Dienstleister aber noch zu selten an, und die entsprechenden Optionen tauchen in den Online-Shops nicht auf.“
Ein Gedanke zu „E-Commerce in Deutschland: Zwischen Aufschwung und Konsolidierung“