Gütersloh. Die Globalisierung hat während der vergangenen zwei Jahrzehnte vor allem den Wohlstand in den Industrienationen vermehrt. Schwellen- und Entwicklungsländer hingegen profitierten vergleichsweise wenig. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung zu den Effekten der Globalisierung in 42 Staaten.
Demnach führte das Zusammenwachsen der Welt bislang keineswegs dazu, dass sich der Wohlstand zwischen Industrieländern wie Finnland, Dänemark oder Japan sowie den Schwellenländern angenähert hat – im Gegenteil: Während durch Globalisierungseffekte das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den Top-20 Industrieländern durchschnittlich um ungefähr 1.000 Euro jährlich stieg, wuchs es in Ländern wie Mexiko, China oder Indien um weniger als 100 Euro je Einwohner.
Deutschland zählt zu den größten Gewinnern der Globalisierung. Hinter Finnland, Dänemark und Japan hat Deutschland am stärksten von der weltweiten Verflechtung profitiert. So ließ die Globalisierung zwischen 1990 und 2011 das reale deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt jedes Jahr um rund 100 Milliarden Euro wachsen. Die zunehmende Verflechtung auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene war somit für etwa 20 Prozent des Wachstums der deutschen Volkswirtschaft verantwortlich. In Summe betrugen die BIP-Gewinne aus den Globalisierungseffekten in diesem Zeitraum rund zwei Billionen Euro. Das entspricht etwa 90 Prozent des BIP in 2011 oder durchschnittlich 1.240 Euro pro Kopf und Jahr. In der Rangliste der Globalisierungsgewinner folgen auf Deutschland die Schweiz, Österreich und Israel.
Die Studie, die die Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt hat, berechnet erstmals, in welchem Umfang Globalisierung nationale Volkswirtschaften wachsen lässt. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass Globalisierung grundsätzlich für alle der 42 untersuchten Länder positive Effekte auf das Wachstum hatte. So bewirkten die Globalisierungseffekte überall einen Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens. Allerdings waren die absoluten Zuwächse je Einwohner in den großen Schwellenländern Südafrika, Brasilien, Russland, Mexiko, China und Indien am geringsten.
„Wir müssen erkennen, dass die Globalisierung die Schere zwischen Arm und Reich eher noch weiter öffnet“, sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. „Erst über einen längeren Zeitraum wird sie dazu beitragen, dass Schwellen- und Entwicklungsländer die Wohlstandslücke zu den Industrienationen verkleinern können.“ Ein neuer Protektionismus jedoch sei die falsche Antwort auf diese Entwicklung, denn wirtschaftliche Abschottung verringert die Wachstumseffekte in den Schwellenländern. „Weil die Industriestaaten in besonderem Maße von der Globalisierung profitieren, ist aktive Entwicklungszusammenarbeit gefordert.“
Damit die Schwellenländer wirtschaftlich zu den Industrienationen aufschließen, empfehlen die Experten der Bertelsmann Stiftung, die Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft stärker zu fördern. Die Industrieländer sollten ihre Märkte für Produkte aus weniger entwickelten Ländern öffnen, ihre Subventionen für Agrarprodukte reduzieren, notwendige Bildungsmaßnahmen sowie den Ausbau der Infrastruktur und der Produktionsanlagen einschließlich der notwendigen Technologien finanzieren.
Hintergrund
Im Rahmen dieser Studie wurden Globalisierungsfortschritte anhand des sogenannten „Globalisierungsindex“ erhoben, der sich eng an den KOF-Globalisierungsindex der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich anlehnt. Er untersucht neben Indikatoren zur wirtschaftlichen Globalisierung auch Aspekte sozialer Globalisierung (Tourismus, Migration) und politischer Globalisierung (institutionalisierte Verflechtung, Außenbeziehungen etc.). Die Bertelsmann Stiftung beschäftigt sich dabei mit der Frage, wie sich fortschreitende Globalisierung mit dem Ziel von inklusivem Wachstum sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern erreichen lässt. Inklusives Wachstum wird dabei als ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig als auch generationsgerecht verstanden.