Eine neurowissenschaftliche Sicht: Warum fällt es uns schwer, Ziele zu erreichen? Der eine nimmt sich ein konkretes Umsatzwachstum vor, die andere ihre Promotion. Beide wissen, was zu tun ist: drei zusätzliche Anrufe pro Tag; wöchentlich drei Mal vier Std. Arbeit an der Promotion.
Der erste Elan verfliegt jedoch schnell. Der Plan geht nicht auf und jeder fragt sich: Warum?
Wieso ist der Biss verloren gegangen, wo doch die Ziele konkret formuliert waren?
Schon lange suchen Menschen Antworten darauf, weshalb die einen durchhalten und die anderen nicht. Was unterscheidet Siegertypen von Verlierertypen? Gängige Ansätze lauten etwa so:
– Der Sieger hat immer einen Plan – Der Verlierer immer eine Ausrede.
– Der Sieger findet für jedes Problem eine Lösung.
- Der Verlierer findet in jeder Lösung ein Problem.
– Der Sieger: „Es mag schwierig sein, aber es ist möglich.“
- Der Verlierer: „Es ist möglich, aber es ist zu schwierig.“
So gesehen müsste nur jeder wie ein Sieger denken und alles wäre gut. Die Erfahrung zeigt jedoch, so einfach kann es nicht sein! Die Gehirnforschung geht noch einen Schritt zurück: Wovon hängt es eigentlich ab, welche Ziele wir uns stecken?
Wie Entscheiden und Handeln entsteht
Die persönliche Zielsetzung hängt stark von der individuellen emotionalen Konditionierung ab. Dieser Prozess beginnt bereits vor der Geburt. Seine stärkste Phase liegt in den ersten Lebensmonaten und Jahren. Die emotionale Konditionierung bildet die Grundlage für die Persönlichkeit.
Bestimmungsgrößen für die emotionale Konditionierung:
– die individuelle genetische Ausrüstung
– die individuelle Gehirnentwicklung vor und kurz nach der Geburt
– die persönlichen (Bindungs-) Erfahrungen kurz vor und nach der Geburt
– die psychosozialen Einflüsse im Kindes- und Jugendalter
Das, was als Persönlichkeit gilt, ist ein zeitlich überdauerndes Muster auf Basis dieser Bestimmungsgrößen. Sie prägen die persönlichen Entscheidungen, Handlungen und Ziele.
Die emotionale Konditionierung zeigt sich in einem ganz individuellen charakteristischen Mix aus Persönlichkeitsmerkmalen wie: Temperament, Gefühlsleben und Intellekt. Auch die Art zu handeln und zu kommunizieren zählt dazu. Was jeden Mitarbeiter von seinen Kollegen unterscheidet, ist seine individuelle Ausprägung dieser Merkmale.
„The Big Five“ – Die Grundfaktoren der Persönlichkeit
Die Grundfaktoren haben zwei Seiten: eine positive und eine negative. Einigkeit besteht darin: Die Persönlichkeitsmerkmale stabilisieren sich sehr früh. Sie sind somit entweder hochgradig genetisch bedingt oder sie sind eine unauflösliche Kombination aus genetischen, vorgeburtlichen, frühkindlichen und entwicklungsbedingten Merkmalen.
Motivation aus der Sicht der Neurowissenschaften
Generell strebt der Mensch nach Ereignissen, die positive Gefühlszustände anregen. Negative Gefühlszustände vermeidet er lieber. Positive wie negative Gefühle erfolgen über die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn. Serotonin und Dopamin stehen mit positiven Gefühlen wie Freude, Zufriedenheit und Glück in Zusammenhang. Serotonin hat auch eine beruhigende, angstmindernde Wirkung. Dopamin regt an, beflügelt. Bei Gefühlen wie Angst oder Verzweiflung werden z.B. Cortisol oder Noradrenalin ausgeschüttet. Diese Substanzen bewirken Stress- oder Bedrohungsgefühle. Das limbische System verarbeitet Emotionen. Die Ausschüttung der genannten Botenstoffe lassen Rückschlüsse auf den Emotionszustand zu. Körperliche Signale (Herzschlag, Atemfrequenz, Zittern der Hände) geben messbare Auskünfte. Motivation entsteht, wenn die Zentren des limbischen Systems Ereignisse registrieren und über Botenstoffe so auf das Gehirn einwirken, dass sie das Verhalten steuern.
Besonders interessant zu wissen: Motivierender als positive Gefühle zu erleben oder negative Gefühle zu vermeiden ist das Streben nach diesen Zuständen. Uns motiviert die Vorstellung davon, wie wir uns auf dem Weg zur Zielerreichung fühlen – nicht aber das Ziel selbst! Nicht der Umsatzzuwachs am Jahresende, nicht die Promotionsurkunde motivieren, es sind die spannenden Erkenntnisse auf dem Weg dahin. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, Dopamin wird bei Erwartung einer Belohnung ausgeschüttet. Wird das angestrebte Ziel erreicht, ist die Dopamin-Ausschüttung gering.
Das erklärt auch, weshalb viele Incentives in den Unternehmen nicht wirken. Der Anreiz liegt meist auf dem Zielpunkt jedoch nicht auf dem Weg dorthin. Diese Erkenntnisse der Gehirnforschung sind bisher wenig bekannt. Deshalb kommen weiterhin die traditionellen Rezepte zum Zuge, auch wenn die Erfolge ausbleiben.
Vielen Mitarbeitern und Führungskräften ginge es besser, wenn das Augenmerk auf den Weg gelegt würde. Allen würde man dennoch nicht gerecht, denn die unbewussten persönlichen Motive und die konkreten betrieblichen Ziele müssen in Einklang gebracht werden.
Warum das so ist und wie das zu erreichen ist, beantwortet auch die Gehirnforschung.