Interview mit Hans-Jürgen Stricker, Vorsitzender der Geschäftsleitung Westfalen-Lippe-Ems, Mittelstand, Commerzbank AG: Wie entwickelte sich die Kreditnachfrage infolge der Staatsschulden- und Wirtschaftskrise bei den mittelständischen Unternehmen? Während angesichts des Zins-Rekordtiefs viele Anleger – wie etwa Stiftungen – kaum noch die Renditen erzielen können, die sie benötigen, können sich Unternehmen über historisch günstige Finanzierungen freuen. So haben sich beispielsweise die Zinskosten für eine dreijährige Finanzierung im Vergleich zu 2007 nahezu halbiert. Doch allein dies hat die Kreditnachfrage der Wirtschaft bisher nicht beleben können. Auch im zurückliegenden zweiten Quartal hinterlassen das Konjunkturtief und die Investitionsschwäche der Unternehmen ihre Spuren. Die KfW erwartet für den weiteren Jahresverlauf einen weiteren Rückgang des Kreditneugeschäfts mit Unternehmen und Selbständigen um 3,5 Prozent gegenüber 2012 – bereits das dritte Minus in Folge. Erst im Herbst, so die Ökonomen, werden Investitionen wieder zunehmen.
Welche Gründe hat die verhaltene Kreditnachfrage?
Die Gründe sind offensichtlich. Neben der noch verhaltenen Wirtschaftslage spielt der Rückgang langfristiger Projektfinanzierungen eine Rolle. Zudem macht das niedrige Zinsniveau die Anlage von Liquidität unattraktiv, sodass lieber investiert wird – statt auf Kredite zurückzugreifen. Und über Liquidität verfügt der Mittelstand zur Genüge. Die Unternehmen treten selbstbewusster auf, denn sie haben ihre Hausaufgaben gemacht: Kosten und Effizienz sind optimiert, die Eigenkapitalbasis ist gestärkt. Gezieltes Forderungsmanagement hat umfangreiche Reserven im unternehmerischen Finanzmanagement gehoben. Viele Unternehmen hinterfragen zudem Investitionsprojekte im europäischen Ausland kritisch, weil ihr Vertrauen in die Eurozone spürbar gelitten hat. Auch deshalb vermochte es der Mittelstand bisher, den Umsatzrückgang in der EU abzumildern, in dem er verstärkt in Märkten außerhalb der EU aktiv ist.
Doch welche Konsequenzen hat es, wenn die Konjunktur wieder nachhaltig anzieht, die Zinsen steigen – und gleichzeitig Basel III in Kraft tritt?
Im zweiten Halbjahr spricht vieles für ein Anziehen der Kreditnachfrage in Deutschland. Im KfW-ifo Mittelstandsbarometer werden die Erwartungen seit einiger Zeit positiv beurteilt, was sich in einem Anstieg der Unternehmensinvestitionen niederschlägt – und in Folge auch zu einem höheren Bedarf an Finanzierungen führen wird. Viele Unternehmer fragen vor diesem Hintergrund schon heute, wie sich Basel III auf die Verfügbarkeit und die Kosten von Krediten und anderen Finanzierungslösungen auswirken wird.
Erlauben die neuen Liquiditätsanforderungen den Banken noch langfristige Unternehmensfinanzierung?
Grundsätzlich ist der Zugang zu Krediten für Unternehmen, die Finanzierungen nachfragen, weiterhin sehr gut. Das sagen übrigens nicht nur Banken, auch von Unternehmerseite wird diese Einschätzung bestätigt. Auch für die überschaubare Zukunft steht eine deutliche Verschärfung der Kreditrichtlinien nicht zur Debatte. Der zunehmende Wettbewerb in- und ausländischer Kreditinstitute um den Mittelstand trägt seinen Teil dazu bei. Allerdings könnten die Effekte von Basel III im Zusammenspiel mit einer deutlich gestiegenen Marktvolatilität bewirken, dass sich sowohl die Preise als auch das Produktangebot im Firmenkundengeschäft der Banken verändern. Kreditinstitute werden im Durchschnitt einen höheren Bedarf an Eigenkapital und langfristiger Refinanzierung haben. Weil Eigenkapital, das Banken bei der Kreditvergabe vorhalten müssen, Geld kostet, kann sich dies auf die Kreditpreise auswirken. Das betrifft vor allem Finanzierungen, die mit weniger Sicherheiten hinterlegt sind. Die Zeit des billigen Geldes währt somit nicht ewig. Der Fünf-Jahres-Zins etwa hat seinen Tiefpunkt wohl bereits Ende Mai überschritten.
Deshalb dürften kapitalschonende Finanzierungsformen für Unternehmen weiterhin ein Thema bleiben. Die Unternehmen können von entsprechend aufgestellten Banken zudem mehr kapitalmarktbasierte Angebote erwarten. Dies wird den Kredit begleiten, aber nicht ersetzen.
Und Basel III?
Basel III ist vor allem eine Herausforderung für Banken. Unternehmen müssen das Rad nicht neu erfinden, denn die Rezepte für einen problemlosen Kreditzugang haben sich seit Basel II nicht geändert. Wichtig sind eine offene Finanzkommunikation und ein früher Kontakt mit der Hausbank. Wer in der Vergangenheit offen und rechtzeitig kommuniziert hat, kam besser durch die letzten drei Jahre. Entscheidend ist nach wie vor der Nachweis der Tragfähigkeit einer geplanten Investition. Dazu sind keine anderen Unterlagen als früher notwendig, die auf die gängigen Fragen Antwort geben: Höhe der Investitionskosten, Laufzeit, Rückzahlung, Umsatzerwartungen. Im Kern geht es also um eine ganz klassische Planung.
Eine gute Hausbank bietet dabei schlanke Kreditprozesse. Die Commerzbank entscheidet bei Finanzierungen bis 5 Mio. Euro binnen 72 Stunden. Ebenso begleitet sie die Unternehmen, die Wachstumschancen jenseits der etablierten Märkte wahrnehmen, in nahezu jedes Land der Erde.
Wie kann man sich als Unternehmer vor der Preisentwicklung bei längerfristigen Krediten absichern?
Zur Preisentwicklung bei längerfristigen Krediten gibt es zudem effiziente Gegenmittel. Eines der wirkungsvollsten ist die Einbindung von öffentlichen Fördermitteln über die KfW-Förderbank und die Europäische Investitionsbank (EIB) in den Finanzierungsmix. Im Februar 2013 schloss die EIB mit der Commerzbank einen neuen Finanzierungsvertrag über 400 Mio. Euro ab. Der neue Finanzierungsrahmen erlaubt es, kleinen als auch mittleren Unternehmen individuelle und langfristige Finanzierungslösungen mit flexibler Zins- und Laufzeitgestaltung anzubieten.
Somit bleibt die Kreditvergabe der Banken zentraler Aspekt für die Zukunftssicherung des Mittelstands.
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