Bielefeld. Mit ihrer Idee sind sie auf der Höhe der Zeit: Zehn Bielefelder Studierende haben es sich zum Ziel gesetzt, eine Biobatterie zu konstruieren. Sie wollen mit Hilfe des Bakteriums Escherichia coli Zucker direkt in Energie verwandeln. Mit diesem Projekt nehmen die Studierenden am diesjährigen „international Genetically Engineered Machine competition“ (iGEM) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, USA, teil.
Seit Mai verbringen sie viele Stunden ihrer freien Zeit im Labor, um ihre Idee in die Realität umzusetzen. Mit den ersten Laborergebnissen, die nun vorliegen, startet das Projekt in die heiße Phase.
Student Thorben Meyer erklärt, wie er und seine Teamkolleginnen und -kollegen auf die Idee für das Projekt gekommen sind:„Alternative Energiequellen erfreuen sich einer immer weiter wachsenden Nachfrage. Die Schonung fossiler Rohstoffe und der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland haben diesen Prozess rapide beschleunigt.“ Ein weiterer Faktor in den Überlegungen: die Umweltbelastung durch herkömmliche Batterien. „Nicht nur die Großstromproduktion belastet die Umwelt, auch Batterien für den Haushaltsgebrauch enthalten zahlreiche Schadstoffe. Schwermetalle und gefährliche anorganische und organische Elektrolyte können bei unsachgemäßer Verwendung der Batterien in die Umwelt freigesetzt werden“, so Meyer.
Biobatterie als alternative Energiequelle
Deshalb ist das Ziel des Bielefelder iGEM-Teams die Entwicklung einer umweltfreundlichen Biobatterie (Microbial fuel cell – MFC), die Bakterien zur unmittelbaren Energieerzeugung nutzt. Solch eine Batterie funktioniert im Prinzip wie eine herkömmliche Batterie – mit einem Unterschied. Die MFC besteht, ebenso wie derzeitige Batterien für den Hausgebrauch, aus zwei separaten Einheiten, dem Anoden- und dem Kathodenraum. Beide Bereiche sind durch eine teilweise durchlässige Membran getrennt. Im Unterschied zur herkömmlichen Batterie befinden sich im Anodenraum der Biobatterie jedoch keine Elektrolyte, sondern Bakterien. Diese bauen Substrate, in diesem Fall Zucker, im Stoffwechsel ab. Dabei entstehen Elektronen, die an die Anode und über einen externen Kreislauf schließlich an die Kathode abgegeben werden. Der externe Kreislauf ist dabei die mit der Batterie betriebene Anwendung, beispielsweise Lampen oder kleine Motoren. Auf diesem Weg lässt sich mit Bakterien Strom produzieren. Die Biobatterie bietet eine Reihe von Vorteilen – unter anderem ist sie aufgrund der einfachen Bauweise auch in Gebieten mit Strommangel, zum Beispiel in Entwicklungsländern, einsetzbar. Ein Vorzug der Biobatterie gegenüber anderen regenerativen Energiequellen, wie der Wind- und Solarenergie ist, dass sie vom Wetter unabhängig Strom produzieren kann. Bei ihr gilt: Je mehr Nahrung die Bakterien bekommen, desto mehr Energie erzeugen sie. Darüber hinaus stellen Bakterien theoretisch ein unerschöpfliches Energiereservoir dar, da sie sich bei Substratzugabe schnell vermehren.
Im Labor untersuchen die Bielefelder Studierenden unterschiedliche bakterielle Organismen und deren genetische Komponenten. Durch die Kombination verschiedener Gene ist es möglich, den Organismus Escherichia coli im Hinblick auf eine effiziente Stromerzeugung zu optimieren. Erste Erfolge können die Studierenden bereits vermelden: Sie haben verschiedene Gene zur Elektronenübertragung isoliert und mit der Konstruktion einer geeigneten Apparatur zur Stromproduktion begonnen. Bis zum europäischen Vorentscheid von iGEM im Oktober wollen sie eine optimierte Biobatterie zum Betrieb von Kleinanwendungen entwickeln.
Mehr als nur Laborarbeit
Parallel zur experimentellen Arbeit im Labor ist es Aufgabe der Studierenden, ihr Projekt in der Öffentlichkeit darzustellen. Und auch die Sponsorensuche muss das Team als Teil des Wettbewerbs meistern: Teilnahmegebühren, Reisekosten sowie Unterkünfte schlagen mit circa 20.000 Euro zu Buche. Die komplette Arbeit für das Projekt leisten die Teammitglieder neben ihrem regulären Studium. Was motiviert die zehn Studierenden der Molekularen Biotechnologie und Genom-basierten Systembiologie zu diesem Engagement? „Die Arbeit bei iGEM bietet die Chance, konzentriert ein Projekt durchzuführen und sich mit herausragenden Nachwuchsforschern zu messen“, sagt Nadiya Romanova. „Außerdem ermöglicht die Teilnahme am dem weltweit ausgetragenen Wettbewerb bereits während des Studiums einen Einblick in Forschungsprozesse und Innovationen im Bereich der synthetischen Biologie.“ Das iGEM-Team Bielefeld erhält Unterstützung von Professor Dr. Alfred Pühler, Professor Dr. Erwin Flaschel, Dr. Jörn Kalinowski sowie Dr. Christian Rückert vom CeBiTec (Center for Biotechnology) der Universität Bielefeld.
Zahlreiche und starke Konkurrenz aus aller Welt
Der iGEM-Wettbewerb wird seit 2004 jährlich am MIT ausgerichtet. Anfangs ein Kursangebot des MIT, steigen die Teilnehmerzahlen seitdem stetig an – von fünf Teams 2004 auf über 210 in diesem Jahr. „iGEM ist international der bedeutendste studentische Wettbewerb der synthetischen Biologie. In seiner Form ist er weltweit einzigartig“, fasst Dr. Kalinowski zusammen. „Die synthetische Biologie ist die neueste Entwicklung im Bereich der modernen Biologie, die Teilnahme am Wettbewerb eröffnet den Studierenden neue Perspektiven und sie haben die Gelegenheit, sich gegenüber Nachwuchswissenschaftlern aus aller Welt zu beweisen.“ Der europäische Vorentscheid findet vom 11. bis 13. Oktober in Lyon, Frankreich, statt. Hier entscheidet sich, welche europäischen Teams im November zum Finale ans MIT nach Boston reisen. Die Universität Bielefeld ist bereits im vierten Jahr in Folge dabei und hat sich von 2010 bis 2012 erfolgreich in Boston präsentiert. In den letzten beiden Jahren zählten die Bielefelder sogar zu den 16 Teams besten der Welt.