Mitarbeiter finden, halten und entwickeln – Hindernisse und Lösungen: Gute Mitarbeiter sind gefragt, aber rar gesät, wie man derzeit von jeder Personalleitung erfahren kann. Und nicht nur das: die besonderen Talente werden so frühzeitig „gejagt“, dass sogenannte Talentscouts schon in Schulen unterwegs sind. Wenngleich in der anglo-amerikanischen Welt schon lange vom „Krieg um die Talente“ gesprochen wird (ich habe den Begriff zuerst Ende der 1990er Jahre in den USA gehört), so ist die Notwendigkeit einer systematischen und sehr frühzeitigen Kontaktierung zukünftiger Mitarbeiter hierzulande vergleichsweise spät erkannt worden. Umso interessanter sind allerdings aktuelle Wege und Ansätze.
Ich konnte jüngst die Arbeit der B&B Personal- und Unternehmensberatung in Osnabrück kennenlernen, die bereits in Schulen kommunikative Fähigkeiten als Vorbereitung für das Arbeitsleben vermitteln. In einem nächsten Angebot wenden sich die Berater an Auszubildende, um diese kompakt und systematisch im Bereich „soft skills“ – also Auftreten, Präsentation, Gesprächsführung etc. – zu qualifizieren. In enger Zusammenarbeit mit regionalen mittelständischen Unternehmen wird aus diesem Angebotsbündel jetzt eine Akademie für Auszubildende entstehen, die mit Sicherheit auch einen Standortfaktor darstellen wird.
Hier verstärkt sich ein Trend: Menschen zu finden, mit dem Unternehmen zu verbinden und gezielt zu entwickeln erfordert heute miteinander verknüpfte Maßnahmen, die bereits potenzielle Mitarbeiter im Jugendalter einbezieht. Die Kunst liegt vor allem darin, ein umfassendes Personalsystem zu schaffen, das den Beschäftigungszyklus abbildet, gleichzeitig aber in den Maßnahmen so flexibel zu bleiben, dass individuelle Bedürfnisse erkannt und adressiert werden.
Hier können die Personaler von den Marketingleuten lernen: Schon lange gibt es keine klar umrissenen und voneinander eindeutig abgrenzbare Zielgruppen für Produkte und Dienstleistungen mehr. Konsumenten sind vielmehr unberechenbar, widersprüchlich, nur begrenzt loyal. Ähnliches können wir auch für die Zielgruppen der Personaler feststellen. Es gibt nicht „die Nachwuchsgruppe“, es herrscht eine Atomisierung, der eher mit unscharfen Aktivitäten begegnet werden kann. es ist daher kein Wunder wenn die Unternehmen erkennen, dass sie als potenzielle Arbeitgeber (schon dieser Begriff kann hinderlich sein) insgesamt attraktiv erscheinen. Lösungen liegen in Begegnungsplattformen, Projekten, gemeinsamen Aktionen, mit denen das Unternehmen sich in Szenen hineinwagt. Wir befinden uns in einem Stadium des Experimentierens.
Generationenübergreifende Kommunikation
Ein Sonderthema mit besonderer Hebelwirkung ist die Kommunikation zwischen verschiedenen Altersgruppen in den Unternehmen. Wie mir Philipp Ax, der Geschäftsführer der oben erwähnten Beratungsfirma B&B im Gespräch bestätigte, müssen Nachwuchskräfte heute vor allem kommunikativ, selbstbewusst, kompetent, repräsentativ und teamfähig sein. Aber die Herausforderung, so Philipp Ax, liege nicht einseitig bei den Auszubildenden oder den „young professionals“, die sich in einer für sie neuen Kultur zurechtfinden müssten.
Ebenso seien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Altersgruppen aufgefordert, die eigenen kommunikativen Fähigkeiten weiter zu entwickeln, um mit den jungen Menschen wirksam zusammen arbeiten zu können. Die Unternehmen, so Ax, seien gefordert, mehr als nur monetäre Reize zu bieten, denn für die neuen jungen Mitarbeiter stünden Wertschätzung, ein förderliches Arbeitsumfeld, Entwicklungsmöglichkeiten, Entscheidungsspielräume und zeitliche Freiräume für außerberufliche Aktivitäten an der Spitze der Erwartungen.
Mir persönlich fällt auf, dass die jungen Einsteiger, vor allem die Abgänger von den Hochschulen, mittlerweile hinsichtlich ihrer Gesprächs- und Präsentationstechniken so manchen älteren Vorgesetzten ins Schwitzen bringen. Tatsächlich haben viele ältere Führungskräfte die notwendigen Methoden und die einzelnen Instrumente nie systematisch trainiert und sich angeeignet. In meinen Beratungskontexten stelle ich dann häufig fest, dass diese Führungskräfte auf die Anwendung dieser Methoden und Instrumente dann ganz verzichten, sie retten sich mit Vermeidung und Improvisation, womöglich, um sich nicht vor den Jüngeren zu blamieren. Das ist kontraproduktiv, hier sind Nachqualifikationen der Älteren notwendig, um die Gesamtwirksamkeit zu steigern.
Positive Erfahrungen haben zahlreiche Unternehmen hingegen mit Projektarbeit gemacht, bei der Mitarbeiter aus unterschiedlichen Alters- und Hierarchiegruppen unter geeigneten Spielregeln zusammengearbeitet haben. Es zeigt sich, dass selbst Berufsstarter – zumindest die qualifizierten – selbstbewusst und kompetent ihren Beitrag zur Projektgruppe leisten können und wollen. Unternehmen sollten diese Lerngelegenheiten systematisch anbieten, um das Verständnis zwischen den Generationen und das Lernen voneinander zu fördern.
Anforderungen an Führungskräfte
Was sind eigentlich die Grundaufgaben von Führungskräften? Ruth Seliger unterstreicht in ihrem „Dschungelbuch der Führung“, dass es zwei vordringliche Aufgaben gebe: erstens die Schaffung von Verbindungen und von Austausch, zweitens das Herbeiführen von Entscheidungen. Angesichts der weiter gestiegenen Anforderungen an Unternehmen in Sachen Mitarbeiterfindung, -bindung und Entwicklung lasten hier große Erwartungen auf den Vorgesetzten.
Ein Defizit liegt, wie schon ausgeführt, darin, dass zahlreiche ältere Führungskräfte ihre Methoden und Instrumente nicht ausreichend weiterentwickelt haben. Wie Fredmund Malik in seinem Buch „Führen Leisten Leben“ ausführt: es geht hier nicht um die ideale, sondern um die wirksame Führungskraft, die an ihren Resultaten gemessen werde. Der Prüfstein sei die Erreichung von Zielen und die Erfüllung von Aufgaben.
Malik macht sehr deutlich, dass für ihn „Management“ ein Beruf ist, der zu erlernen ist. Eine Führungskraft müsse vor allem die eigenen Kernaufgaben kennen, die Werkzeuge beherrschen, Grundsätzen und Prinzipien folgen und Verantwortung für das Handeln übernehmen. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, im Unternehmen zu halten und deren Fähigkeiten weiterzuentwickeln bedarf es, so können wir mit Malik fordern, darüber hinaus eines integren, vertrauenswürdigen Vorgesetzten (männlich oder weiblich). Ich ergänze an dieser Stelle, dass die Grundlage angemessener Mitarbeiterführung zunächst die Selbstführung ist, also Einstellungen und Methoden zur zielgerichteten Führung der eigenen Person (vgl. dazu die Artikel in Wirtschaft Regional März 2013).
Fazit
Wer nicht experimentiert, hat schon verloren. Unternehmen sind gut beraten, sich aus zu komplexen Geflechten der klassischen Maßnahmen der Personalgewinnung, – bindung und weiterentwicklung zu befreien. Individualisierte Angebote, Attraktivität als Arbeitgeber, Lern- und Begegnungsplattformen, generationsübergreifende Projekte – das sind die Ansätze, mit denen Menschen verschiedener Altersstufen gewonnen und gehalten werden können.
Der Autor
Burkhard Bensmann, Jahrgang 1959, Dr. phil., selbstständiger Organisationsberater und Coach für Führungskräfte und Autor mit Basis Osnabrück. Bensmann setzt in der Begleitung von Organisationen und Führungskräften auf Vertrauen, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit. In den über fünfundzwanzig Jahren seiner freiberuflichen Beratertätigkeit begleitete er Unternehmen insbesondere in Veränderungsprozessen.
Seit 1990 Lehrtätigkeit an Hochschulen. Im Dezember 2010 wurde er zum Honorarprofessor für Kommunikation und Organisationsentwicklung an der Hochschule Osnabrück berufen.
Seit 2008 führt er eine Interviewreihe mit Führungskräften zum Thema Selbstführung durch, bisher wurden über neunzig Gespräche geführt. Als Zwischenergebnisse legte er zwei Fachbücher vor.
WIR Juni 2013
Mitarbeiter frühzeitig finden, halten und entwickeln – Hindernisse und Lösungen
WIR Juli 2013
Handeln wie ein Unternehmer – 5 Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren für Wachstum und Entwicklung
WIR August 2013
Wirksame Führungsinstrumente – eine gezielte Auswahl Mit den richtigen Methoden und Instrumenten zum Erfolg