München/Karlsruhe (dapd). Gegen das umstrittene Verfahren zur Vergabe von Presseplätzen im NSU-Prozess haben nun auch deutsche Journalisten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Ulf Stuberger vom „Pressebüro Karlsruhe“ sieht im Vorgehen des Münchner Oberlandesgerichts (OLG) einen Verstoß gegen die Freiheit der Berufsausübung im Rahmen der Pressefreiheit. Mehrere Bundestagsabgeordnete wollen unterdessen mit einem „offenen Appell“ den Druck auf das OLG erhöhen. Stuberger teilte am Dienstag mit, die beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Beschwerde sei mit einem Eilantrag verbunden. Er wendet sich dagegen, dass es bei Erkrankung eines akkreditierten Journalisten mit reserviertem Platz nicht möglich sei, einen anderen Mitarbeiter desselben Mediums nachträglich nachzumelden. Das habe das OLG München im Fall des Pressebüros strikt abgelehnt. Ein Medium, das ein Recht auf einen reservierten Platz habe, verliere ihn dadurch, wenn die dafür angemeldete Person krank werde, rügte Stuberger. Das führe „zu einer ungesetzlichen Bevorzugung konkurrierender Medien“. Auch sei das Akkreditierungsverfahren „nicht transparent durchgeführt“ worden, betonte der Journalist. Vor wenigen Tagen war beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits ein Eilantrag der türkischen Zeitung „Sabah“ eingegangen, weil das Medium keinen festen Platz im Gerichtssaal erhalten hat. Für den Prozess wurden aus Platzgründen nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen, die sich nach Gerichtsangaben zuerst angemeldet hatten. Türkische Medien gingen dabei leer aus. Gemeinsamer Aufruf Auf politischer Ebene wollen Bundestagsabgeordnete mehrerer Parteien das OLG zum Einlenken bewegen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz, Sevim Dagdelen von der Linkspartei und der Grünen-Politiker Memet Kilic hätten einen Aufruf verfasst und ihn allen Abgeordneten zur Unterzeichnung geschickt, teilte das Bundestagsbüro von Kilic auf dapd-Anfrage mit und bestätigte damit einen Bericht der „Hamburger Morgenpost“ (Mittwochausgabe). Es wäre „förderlich, wenn die breite Beteiligung der internationalen Medien, das schließt vor allem türkische und griechische Medien ein, entsprechend der gegebenen Spielräume ermöglicht würde“, damit der „Aufklärung und Transparenz bestmöglich“ gedient werden könne, heißt es dem Bericht zufolge in dem Text. „Gerade auch in diesem Strafverfahren sollte das Motto sein: Nicht das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an diesem einmaligen Prozess muss sich dem zur Verfügung gestellten Raum anpassen, sondern umgekehrt: Dem großen Interesse muss der entsprechende Raum gegeben werden.“ „Aufforderung zum Verfassungsbruch“ Die bayerische Staatsregierung wies die Kritik an dem Verfahren der Platzvergabe erneut zurück. Gerichte dürften nur durch andere Gerichte kontrolliert werden, betonte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Würzburg. Er wehre sich entschieden dagegen, dass Spitzenpolitiker von der Staatsregierung ernsthaft forderten, sich in die Entscheidungsfindung einzumischen. Der Schritt zwischen dem Einmischen in Verfahrensfragen zur Einflussnahme auf Entscheidungen sei nur sehr klein. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) bezeichnete die „Art und Weise, wie manche Kritiker sich über das Gericht erheben“ als erschreckend. Sie mahnte Zurückhaltung an. Wer von der Politik ein Eingreifen verlange, „fordert nichts weniger als Verfassungsbruch“. Der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz sieht die Lösung des Streits in einer Videoübertragung in einen Nebenraum des Gerichts. „Reicht der Gerichtssaal nicht aus, ist die Videoübertragung in einen zweiten hinlänglich großen Raum unumgängliche richterliche Pflicht“, schrieb er in der „Süddeutschen Zeitung“. Eine Million Euro für Opfer und Angehörige Vor dem OLG in München muss sich vom 17. April an die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Angeklagt sind zudem vier mutmaßliche NSU-Helfer. Dem NSU werden Morde an neun ausländischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin angelastet. Nach den Taten hat die Bundesregierung knapp eine Million Euro an Opfer und ihre Angehörigen gezahlt. Das Bundesjustizministerium bestätigte am Dienstag auf dapd-Anfrage einen entsprechenden Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Dem Blatt zufolge heißt es in einem Ministeriumsschreiben vom Freitag: „Insgesamt wurden an Opfer und Opferangehörige der ‚Zwickauer Terrorzelle‘ zum Stichtag 5. April 2013 Härteleistungen in Höhe von rund 973.542,67 Euro ausgezahlt.“ dapd (Politik/Politik)
Weitere Verfassungsbeschwerde wegen des NSU-Prozesses
Veröffentlicht von
Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen