Berlin (dapd). „Sie sind aber auch älter geworden, muss ich sagen.“ So kann nur ein Altkanzler Journalisten begrüßen, die über eine Stunde auf eine Pressekonferenz mit ihm gewartet haben. Erstmals seit fast acht Jahren war Gerhard Schröder am Dienstag wieder in der SPD-Fraktion aufgetreten. Anlass war der Jahrestag der „Agenda 2010“-Rede und das Nein zum Irak-Krieg im März 2003. Am Donnerstag vor zehn Jahren hatte Schröder im Bundestag seine Reformagenda vorgestellt und nur wenige Tage später einer deutschen Beteiligung am Irak-Krieg erneut eine Absage erteilt. Nach einer Diskussion in der Fraktion, in der er mit herzlichem Applaus empfangen wurde, trat er mit seinem ehemaligen Kanzleramtsminister und heutigem SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vor die Presse – eine Seltenheit. Steinmeier sagte, die „Agenda 2010“ sei der Anstoß gewesen, dass das Land „nach vorn gekommen ist“. Es sei die „entscheidende Weichenstellung“ gewesen, dass es Deutschland heute deutlich besser gehe als seinen Nachbarn. Hätte Schröder damals so mutlos agiert wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute, ginge es Deutschland so wie anderen europäischen Ländern. Es seien „harte Kämpfe und einsame Entscheidungen“ Schröders gewesen, die dem Land gut getan hätten. Schröder selbst sagte, er freue sich über die positive Rezeption der Agenda. Die SPD dürfe davon auch im Kern nicht abweichen, aber: „Die ‚Agenda‘ sind nicht die zehn Gebote, und ich bin schon gar nicht Moses.“ Wenn die Grundprinzipien des Förderns und Forderns der „Agenda“ nicht aufgegeben werden, seien Veränderungen im Detail diskussionswürdig. Er schob hinterher: Dass die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, mit der Schröder zu seinen aktiven Zeiten in gegenseitiger Abneigung verbunden war, in einem Interview gesagt habe, dass die Reformen Agenda das Land vorangebracht habe, „zeigt, dass viel mehr von der Agenda in der SPD drin ist“, als es manche Bemerkungen glauben machen wollten. Schröder war gut aufgelegt, ihm gefiel das Presse-Intermezzo sichtlich. Er witzelte, gefiel sich in der Rolle dessen, der jetzt gefeiert wird, aber nicht mehr entscheiden muss. Zum Wahlprogramm mit linken Elementen wie Vermögenssteuer und Erhöhung des Spitzensteuersatzes, das der SPD-Vorstand am Montag verabschiedet hat, wollte er sich auch nicht auslassen. Er habe das Wahlprogramm nur ansatzweise gelesen. „Das ist bei mir immer so mit Wahlprogrammen gewesen, das hat eine gewisse Kontinuität“, lachte der ehemalige SPD-Vorsitzende. „Man muss nicht mit allem einverstanden sein“, erklärte er noch und fuhr fort: „Auch wenn ich das ein oder andere anders geschrieben hätte, gehört es auch dazu, dass ich schlicht gesprochen das Maul halte.“ Er habe sich in seiner Zeit auch ab und an über die Vorschläge der Altvorderen geärgert. Über die Patzer beim Start der Kanzlerkandidatur seines „Freundes“ Peer Steinbrück, ging Schröder kurz hinweg. Die Hauptsache sei, dass Steinbrück offensiv damit umgegangen sei. Auch ein Spitzenpolitiker sei keine Maschine und manchmal nicht gut drauf. „Ich bin es allerdings heute“, sagte und lachte das breite Schröder-Lachen. Angesprochen auf eigene Fehler als „Brioni-Kanzler“, öffnete er sein Jacket, zeigte auf die Marke und sagte: „Iss nicht – auch wenn ich jetzt könnte!“ dapd (Politik/Politik)
Die Gute-Laune-Show des Altkanzlers
Veröffentlicht von
Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen