Mainz (dapd). Abschied und Neubeginn in der rheinland-pfälzischen Landespolitik: Die 18 Jahre währende Regierungszeit von Kurt Beck (SPD) ist zu Ende, seit Mittwoch hat das Land nun eine Ministerpräsidentin. Der Mainzer Landtag wählte die SPD-Politikerin Malu Dreyer mit 60 von 100 abgegebenen Stimmen in das Amt. Damit votierten in geheimer Abstimmung offenbar alle Abgeordneten des Regierungsbündnisses von SPD und Grünen für die 51-jährige bisherige Sozialministerin. Die CDU-Opposition stimmte gegen sie. Der 63-jährige Beck war der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland. Er zieht sich eigenen Angaben zufolge wegen gesundheitlicher Probleme aus der Politik zurück und wird auch sein Landtagsmandat abgeben. Beck soll Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung werden, die er bereits kommissarisch leitet. „Die Gedanken sind frei“ zum Abschied Am Abend verabschiedeten sich bei einer Feierstunde etliche Weggefährten von Beck. Dreyer sagte zu ihrem Vorgänger: „Du hast immer alles gegeben und kannst stolz darauf sein, was Du als Ministerpräsident erreicht hast.“ Der Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), bezeichnete Beck als seltenen Charakter in der Politik. „Denn Kurt Beck ist nah bei den Menschen und sie spüren, dass er nah bei ihnen sein will“, sagte er. Als Überraschungsgast sang in Mainz Sandra Kreisler, die Tochter des verstorbenen österreichischen Sängers Georg Kreisler, das Volkslied „Die Gedanken sind frei“. Am Vormittag sagte Beck noch von der Regierungsbank gleich zu Beginn der Landtagssitzung: „Ich fühle mich wie vor 18 Jahren. Es kribbelt ein bisschen.“ In seiner Abschiedsrede dankte er den Bürgern von Rheinland-Pfalz für ihre Tatkraft und lobte auch sich selbst. In den 18 Jahren seiner Amtszeit als Regierungschef sei die Arbeitslosigkeit annähernd halbiert worden, das Bruttoinlandsprodukt von Rheinland-Pfalz habe sich nahezu verdoppelt. Beck gesteht Fehler ein Beck betonte, die eigenen Fehler in seiner Amtszeit täten ihm leid. „Mir persönlich war das immer peinlich und ärgerlich.“ Beim Arbeiten aber seien Fehler unvermeidlich. Rückblickend sei das Land deutlich vorangekommen, etwa bei den Chancen auf Bildung oder bei der Familienfreundlichkeit. Der Regierungschef war wegen der Insolvenz des staatlichen Nürburgrings heftig in die Kritik geraten. Dreyer ist die erste Frau an der Regierungsspitze in Rheinland-Pfalz und ergänzt als vierte Ministerpräsidentin bundesweit den Reigen aus Hannelore Kraft (SPD/Nordrhein-Westfalen), Christine Lieberknecht (CDU/Tühringen) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU/Saarland). Dreyer war mehr als zehn Jahre Sozialministerin im Kabinett Beck. Zu ihrem Amtsnachfolger ernannte sie SPD-Generalsekretär Alexander Schweitzer. Marie Luise Dreyer, wie die gebürtige Pfälzerin eigentlich heißt, lebt in Trier und ist mit dem dortigen Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) verheiratet. Seit ihrem 30. Lebensjahr leidet sie an Multipler Sklerose. Nach ihrer Wahl bot Dreyer allen Parteien eine „offene und konstruktive Zusammenarbeit“ an. „Diese Zusage gilt für alle Mitglieder des Parlaments. Das ist für mich selbstverständlich.“ Es gehe um ein gemeinsames Ziel: „das Wohlergehen aller Bürger und Bürgerinnen unseres schönen Landes Rheinland-Pfalz“, betonte die SPD-Politikerin. Glückwünsche aus Berlin Glückwünsche kamen für die neue Regierungschefin auch aus der Bundespolitik. „Von Berlin aus wünsche ich Dir ganz persönlich viel Ausdauer, Glück und Erfolg“, sagte der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel. Lobende Worte fand auch die Parteispitze der Grünen. „Wir freuen uns, dass nach Nordrhein-Westfalen jetzt auch Rheinland-Pfalz von einem rot-grünen Frauen-Duo regiert wird“, teilten die Bundesvorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir mit. Die Grünen-Wirtschaftsministerin Eveline Lemke bleibt auch im Kabinett Dreyer stellvertretende Regierungschefin. Die Vorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner, beschrieb die Ära Beck als „eine Regierungszeit mit Licht und Schatten“. Zwar habe der ehemalige Ministerpräsident viele Verdienste, dennoch habe er sehr häufig auch nur parteipolitisch motiviert gehandelt. Trotzdem verdiene er an einem solchen Tag Anerkennung, betonte Klöckner. Darum habe sich auch nach der Abschiedsrede Becks die gesamte CDU-Fraktion von den Plätzen erhoben. Klöckner bot Dreyer „ausdrücklich die Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes“ an. Die CDU-Landesvorsitzende machte aber auch deutlich, dass die neue Regierungschefin von ihrem Vorgänger Beck viele Baustelle erbe. Sie nannte unter anderem die Verschuldung des Landes und die Pleite am Nürburgring. dapd (Politik/Politik)
Wachwechsel in Mainz: Dreyer übernimmt Regierung
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Peer-Michael Preß
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