Frankfurt/Main (dapd). Eigentlich arbeiten Notenbanken gerne im Hintergrund und steuern von dort die Geschicke ihrer Währung. 2012 war es anders. Die Europäische Zentralbank (EZB) erlebte das aufregendste Jahr ihrer Geschichte. Sie senkte die Leitzinsen auf ein Rekordtief, pumpte zur Stabilisierung der Banken seit Ende 2011 eine Billion Euro in den Markt und erklärte sich bereit, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen. Für 2013 allerdings rechnen Experten mit einer Beruhigung – falls sich die Krise nicht plötzlich verschärft. Ob amerikanische Hedgefonds oder deutsche Stammtischbesucher – viele Skeptiker wetteten zu Jahresbeginn 2012 sogar gegen die Gemeinschaftswährung. Und sie unterschätzten die EZB, die unter ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi so aktiv wurde wie nie zuvor. Die Euroskeptiker unter den Hedgefonds verloren Millionen, am Stammtisch war die Sache meist mit einem Kasten Bier oder ein paar Scheinen geregelt. Am Donnerstag (10. Januar) tritt der Rat der EZB erstmals in diesem Jahr zusammen, um über die Leitzinsen zu entscheiden. Die Frage ist, ob die Zinsen noch weiter sinken werden. Wenn nicht diesen Monat, dann vielleicht bei einer der nächsten Sitzungen. Vereinzelt meinen Ökonomen, dass die EZB versuchen könnte, mit noch niedrigeren Zinsen die Rezession in der Eurozone zu bekämpfen. Zurzeit können sich Banken für gerade einmal 0,75 Prozent Zinsen bei der EZB Geld leihen. Wenn die Banken Geld bei der EZB parken, bekommen sie dafür gar keine Zinsen mehr. Der Anreiz, das Geld lieber den Kunden zu leihen, ist also groß. Eine weitere Zinssenkung könnte bedeuten, dass Banken der EZB Geld geben müssten, um ihre Mittel dort zu parken. Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist skeptisch, dass es so weit kommt. „Vor solchen unkonventionellen Maßnahmen würde die EZB zurückschrecken“, sagt er. Er ist ebenso wie der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, der Ansicht, dass die Notenbank dieses Jahr den Ball flachhalten wird. „Wir glauben, dass die Eurozone dieses Jahr an einer weiteren Leitzinssenkung vorbeischlittern wird“, sagt Krämer. Dafür gebe es drei Gründe. Die akute Finanzkrise sei auf dem Rückzug, was etwa aus sinkenden Zinsen für Eurokrisenstaaten hervorgehe. Zweitens hätten einige Konjunkturindikatoren ihren Tiefpunkt durchschritten, etwa der wichtige Ifo-Index, der die Geschäftserwartung deutscher Unternehmen misst. Drittens hätten Mitglieder des EZB-Direktoriums, darunter der Deutsche Jörg Asmussen, mehrfach angedeutet, dass die Zinsen nun niedrig genug seien. Die Ökonomen bezweifeln nicht, dass die Medizin der EZB für die kränkelnde Eurozone wirkt. „Wir haben ganz gute Chancen, dass die akute Krise vorbei ist“, sagt Fichtner. „Es wird sich bestätigen müssen, ob die erreichte Stabilität hält.“ Krämer rechnet damit, dass die Politik der EZB weiterhin wirken wird: „Das Jahr 2013 wird geprägt sein von einem Rückzug der Staatsschuldenkrise und einer Konjunkturerholung.“ Begeistert ist der Commerzbanker aber nicht. „Das Perfide ist, dass sich das noch lange gut anfühlen wird“, sagt er. Dabei schwäche die EZB mittelfristig den Euroraum, weil sie den Krisenstaaten erlaube, auf Reformen zu verzichten. Ein Beispiel sei Italien, wo der Geldsegen der Notenbank die Zinsen sinken lasse, auch ohne dass die Regierung die verkrusteten Verhältnisse aufbreche. Die Experten erwarten wegen der niedrigen Zinsen und der steigenden Geldmenge, dass mittelfristig die Preise steigen werden. „Jetzt schon von einer Blase zu sprechen, wäre viel zu früh“, schränkt Krämer aber ein. Preissteigerungen über das gesunde Maß hinaus, etwa bei Immobilien, seien aber in den kommenden Jahren denkbar. Die niedrigen Zinsen werden die Verbraucher nach Ansicht der Experten im Portemonnaie zu spüren bekommen, wenn die Preise etwas schneller steigen als bisher. „In der Zukunft rechne ich mit einer Preissteigerungsrate von zwei Prozent und vielleicht etwas mehr“, sagt DIW-Ökonom Fichtner. „Wenn die Löhne mithalten, tut uns das nicht weh.“ Dann sei es auch kein Drama, wenn „die Inflation mal bis an die drei Prozent herankommt“. dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
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Peer-Michael Preß
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