Berlin/Schönefeld (dapd). In der Stunde seines Abgangs gibt es für Klaus Wowereit eigentlich kein Entrinnen. Vor der Tür zum Sitzungssaal im Roten Rathaus lagern Dutzende Fotografen, Reporter und Kameramänner. Schließlich soll Berlins Regierender Bürgermeister genau an dieser Stelle herauskommen und seinen Rücktritt als Flughafen-Aufsichtsratschef verkünden. Doch plötzlich ertönt aus dem Hinterhalt ein kräftiges „Hier“. Als sich die verdutzte Pressemeute umdreht, sehen sie einen breit grinsenden Regierungschef, der sich von hinten angeschlichen hat. Eine typische Wowereit-Aktion. Erneut hat der SPD-Politiker gezeigt, dass er sich das Ruder nicht so einfach aus der Hand nehmen lässt. Zwar verkündet er am Montag im Anschluss seinen Rückzug von der Aufsichtsratsspitze. Doch dabei macht Wowereit auch unmissverständlich deutlich, dass er innerhalb der rot-schwarzen Regierungskoalition weiterhin den Anspruch erhebt, die Nummer eins zu sein. Und am Dienstag ist klar: Es handelt sich dabei nicht um reines Wunschdenken. Weitere Konsequenzen aus dem Flughafendesaster wird der Regierungschef wohl kaum fürchten müssen. Denn zu Wowereit fehlen im Moment die politischen Alternativen in der Hauptstadt. Zwar werden die Kritiker nicht weniger, die Wowereit auch zur Aufgabe seines Regierungsposten zwingen wollen. Doch zu diesem Zeitpunkt hat der zweitdienstälteste SPD-Ministerpräsident bereits die Reihen in seiner Regierungskoalition geschlossen. Das Bündnis sei „stabil“, betont SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und sein CDU-Amtskollege Florian Graf ergänzt, dass sich beide Parteien einig seien, die Koalition unverändert fortzuführen und Wowereit gegen den anstehenden Misstrauensantrag der Opposition im Parlament in Schutz zu nehmen. Loyalität zwischen Henkel und Wowereit Grundsätzlich bleibt das Flughafendebakel für Wowereit natürlich ein Desaster – politisch wie persönlich. So lassen die Worte von Flughafen-Technikchef Horst Amann tief blicken, der die vierte Verschiebung der Airporteröffnung als unausweichlich bezeichnete, weil sich die Probleme „so gravierend, fast grauenhaft“ darstellten. So eine Situation kann an Wowereit nicht spurlos vorbeigehen, der die frühere Verschiebung der Airport-Eröffnung von Juni 2012 auf März dieses Jahres einmal in seltener Offenheit als „bitterste Stunde“ seiner Karriere bezeichnet hatte. Auch deshalb hat er sich vorgenommen, das größte Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands zum Ende zu bringen. Seine Parteifreunde und Koalitionspartner werden ihn vorerst gewähren lassen. Aus Sicht der Hauptstadt-SPD aus einem einfachen Grund: Ihr fehlt die personelle Alternative. Zwar werden Fraktionschef Saleh, Parteichef Jan Stöß oder Integrationssenatorin Dilek Kolat durchaus Ambitionen auf den Chefsessel im Roten Rathaus nachgesagt. Doch ihnen allen fehlt es entweder (noch) an Regierungserfahrung oder an ausreichend Unterstützung aus der eigenen Partei. Einzig der früheren Kronprinz, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, könnte mühelos das Zepter übernehmen. Doch er gilt nach der Abwahl vom Parteivorsitz im Juni vergangenen Jahres als geschwächt. Hinzu kommt, dass auch die Partner von der CDU wenig Interesse an einem Sturz Wowereits haben. Zwar waren die Unionsleute zunächst mächtig sauer auf die neue Pannenserie. Doch als die erste Aufregung verraucht war, schwor dem Vernehmen nach Innensenator Frank Henkel seine Mannschaft auf einen Verbleib in der Koalition mit Wowereit ein. Erstens ist ihm bekannt, dass es innerhalb der SPD zum jetzigen Zeitpunkt kaum einen geeigneten Nachfolger gibt. Zweitens gibt es für die Union keine Alternative zu Rot-Schwarz. Und drittens dürfte sich der Senator daran erinnert haben, dass Wowereit seinerseits dem Unionspolitiker den Rücken stärkte, als er selber in den Strudel der Berliner NSU-Affäre geraten war. Für Wowereit dürfte sich genau diese Loyalität jetzt bezahlt machen. dapd (Politik/Politik)
Warum Wowereits Anspruch auf den Chefsessel ungefährdet bleibt
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen