Berlin (dapd-bln). Die speziellen ostdeutschen Erfahrungen könnten nach Überzeugung der Linkspartei das ganze Land ein gutes Stück voranbringen. „Es gibt im Osten einen Erfahrungsvorsprung, der bisher nicht genutzt worden ist“, sagte der Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Statt dessen gebe es fast ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer „weiterhin wirtschaftlich, sozial und kulturell eine Grenze zwischen Ost und West“. Als Beispiele für die Ostkompetenz führte Bartsch spezielle Sprachkenntnisse und wirtschaftliche und politische Kontakte insbesondere nach Osteuropa an, aber auch Erfahrungen in Energiefragen und in der medizinischen Grundversorgung sowie in der Ganztagsbetreuung von Kindern. Zudem nannte er die Organisation der schulischen Bildung und des Breitensports. Bartsch sagte: „Diese Dinge hätte man in ganz anderer Weise aufnehmen können und müssen. Und vielleicht gibt es da auch weiterhin eine Chance, den Erfahrungsvorsprung des Ostens zu nutzen und für das gesamte Land wirksam zu machen.“ So werde in Bildungsfragen von Fachpolitikern oft auf das vorbildliche Skandinavien verwiesen, insbesondere Finnland, sagte Bartsch und merkte an: „Die Nordländer haben einst in der DDR hospitiert.“ Es gehe nicht darum, das Schulsystem der DDR zu kopieren, „das wäre absurd, aber die positiven Dinge könnte man aufnehmen“. 1,5 Millionen Ost-Pendler Nach Ansicht Bartschs wird die spezielle Ostkompetenz politisch völlig vernachlässigt. Dabei gehe es auch um Symbolik. So gebe es 88 Hochschulen im Osten, aber nur drei davon würden von Ostdeutschen geleitet. „Es gibt auch keinen Bundesrichter, der aus dem Osten kommt, auch keinen Verfassungsrichter.“ Auch kein DAX-Konzern habe seine Zentrale im Osten. Hier seien nicht nur wissenschaftliche und ökonomische Aspekte, sondern „zutiefst kulturelle Fragen“ berührt. Bundespolitisch werde der Osten ausgesprochen schwach repräsentiert, sagte Bartsch und merkte an: „Die ostdeutsche Kanzlerin kann mehr für den Osten tun, aber selbstverständlich nicht vorrangig Politik für Ostdeutschland machen. Sie ist die Kanzlerin aller Deutschen.“ Der Ostbeauftragte Christoph Bergner jedoch sei ein Totalausfall: „Den kennt kein Mensch. Das ist keiner, der wirklich Ostinteressen wahrnimmt. Der Mann ist in dieser Legislatur nicht ein Mal auffällig geworden.“ Als das gravierendste Problem der neuen Länder benannte Bartsch in dem dapd-Gespräch die anhaltende Abwanderung insbesondere junger Leute wegen der immer noch hohen Arbeitslosigkeit. So pendelten aktuell rund 1,5 Millionen Menschen aus dem Osten in den Westen, um dort zu arbeiten. In einigen Regionen wie etwa um Schwerin sei die Arbeitslosigkeit nur deshalb vergleichsweise niedrig, „weil die Leute zum Arbeiten nach Hamburg fahren“. Im ganzen Osten gebe es nur noch rund 13 Millionen Einwohner, und in Landstrichen wie Vorpommern sei von der jungen Generation „fast niemand mehr übrig“. Rückkehrerprogramme wie in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt seien zwar gut, blieben aber letztlich nur ein Hilfsmittel, entscheidend seien Jobs. Hoch problematisch sind laut Bartsch auch die unterschiedlichen Renten, Löhne, Tarife und selbst Mindestlöhne in Ost und West. Es gehe dabei nicht um Gleichmacherei, denn die regionale Vielfalt solle erhalten bleiben. „Holstein ist nicht wie Oberfranken und noch nie war Vorpommern wie Sachsen, und das ist auch gut so.“ Es gehe um Gerechtigkeit und in der Rentenfrage schlicht um die Umsetzung des Koalitionsvertrages, der von der Bundesregierung gebrochen werde. dapd (Politik/Politik)
Bartsch: Deutschland muss Erfahrungsvorsprung aus dem Osten nutzen
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Peer-Michael Preß
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