Berlin (dapd). Der vom Bundesrat beschlossene neue Anlauf für ein NPD-Verbot bleibt umstritten. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi geht davon aus, dass ein neuer Antrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bessere Erfolgsaussichten hat als vor rund zehn Jahren. „Der Zeitgeist hat sich verändert, und deswegen haben wir bessere Chancen“, sagte er im dapd-Interview. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte hingegen erneut vor den Risiken. Der Verfassungsrichter Peter Müller wies auf die Hürden eines NPD-Verbotsverfahrens hin. Müller sagte der „Welt am Sonntag“: „Nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts ist die entscheidende Frage, ob festgestellt werden kann, dass die NPD aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht.“ Zu berücksichtigen sei aber, „dass die letzte Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1956 stammt“. Damals verbot das Verfassungsgericht die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Lammert, der für seine Ablehnung eines NPD-Verbotsantrags insbesondere seitens der SPD Kritik einstecken musste, bekräftigte seine Skepsis. „Ich bin weder von der Notwendigkeit noch von der Klugheit eines solchen Verbotsverfahrens überzeugt“, sagte der Parlamentspräsident im dapd-Interview. „Ich halte die Risiken eines Verbotsantrags für zu hoch.“ Zwar leuchteten ihm die Argumente der Innenminister der Länder ein, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen. Auch halte er die Schlussfolgerung der Materialsammlung der Länder, nämlich dass die NPD verfassungswidrige Ziele verfolgt, für „hochgradig plausibel“. Neben der juristischen Beurteilung müsse aber auch politisch entschieden werden, „ob es eher hilfreich oder möglicherweise eher mit zusätzlichen Problemen verbunden ist, wenn man ein solches Verbotsverfahren betreibt“, begründete Lammert seine Skepsis. Die Bundesrat hatte am 14. Dezember beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der rechtsextremen Partei zu beantragen. Die Bundesregierung will darüber im ersten Quartal 2013 entscheiden. Im Bundestag gibt es unterschiedliche Stimmen. 2003 war ein Verbotsantrag, den alle drei Verfassungsorgane angestrengt hatten, gescheitert, weil im Beweismaterial auch Äußerungen von NPD-Mitgliedern zitiert wurden, die zugleich für den Verfassungsschutz arbeiteten. In der aktuellen Materialsammlung der Länder für den Verbotsantrag taucht Material von sogenannten V-Leuten nicht auf. Gysi hielt dagegen. „Wir müssen international und national ein Zeichen setzen und zeigen: Da ist die Grenze“, sagte der Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag. Dann wüssten die, die NPD wählen, „dass sie etwas Verfassungswidriges gewählt haben“. Es würde die Partei strukturell schwächen. Dies hält Lammert nicht für sicher. Es müsse politisch bewertet werden, ob es etwa bei einem nicht entschiedenen Verbotsverfahren bei der Bundestagswahl 2013 einen geringeren oder einen höheren Wahlerfolg der NPD geben wird – „einschließlich der damit verbundenen Finanzierungsansprüche“, mahnte der Bundestagspräsident. Weitere zu beantwortende Fragen seien folgende: „Hätte es die NSU-Mordserie nicht gegeben, wenn die NPD verboten gewesen wäre? Hätten wir den Rechtsextremismus erfolgreich bekämpft, wenn jetzt die NPD verboten würde?“ Gysi sagte, seine Partei prüfe nun das Material. Eigentlich sei er kein Freund von Parteiverboten. „Aber bei der NPD sage ich Ja, weil wir nach innen und außen eine Hemmschwelle damit setzen“, erklärte er. Wenn er nach der Prüfung zu der Auffassung gelange, dass das Material ausreicht, dann engagiere er sich, dass der Bundestag sich dem Antrag anschließe. Müller verwies darauf, dass es für das Verfahren egal sei, ob der Bundesrat allein den Verbotsantrag stellt oder Bundesregierung und Bundestag mitziehen. „Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz reicht es aus, wenn ein antragsbefugtes Organ den Antrag stellt“, sagte er. „Wir fragen, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dafür genügt der Antrag eines Organs.“ Auf die Frage, ob das Beweismaterial frei von V-Mann-Quellen sein müsse, antwortete der ehemalige saarländische CDU-Ministerpräsident: „Es muss die Partei sein, die aggressiv-kämpferisch auftritt. Darüber werden wir zu befinden haben.“ dapd (Politik/Politik)
Weiter Streit über Erfolgsaussichten des neuen NPD-Verbotsverfahren
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Peer-Michael Preß
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