Bad Belzig (dapd-lbg). In Masoud Rostamis Zimmer gibt es keine Bilder, Bücher oder Pflanzen. Dafür hat der iranische Ingenieur sein schmales Bett im Übergangswohnheim für Asylbewerber im brandenburgischen Bad Belzig besonders sorgfältig hergerichtet. Denn in dem 16-Quadratmeter-Raum, den Rostami sich mit einem gleichaltrigen Landsmann teilt, steht Bundespräsident Joachim Gauck und hört ihm aufmerksam zu, als er von seinem Leben erzählt. „Ich bin Christ und das ist in meinem Land nicht einfach gewesen“, sagt Rostami in noch wackligem Deutsch. Seit zwei Jahren lebe er in dem Wohnheim, zu Hause war er auch Lehrer für Mathematik. Viele Dinge seien es gewesen, die ihn dazu gebracht hätten, sein Heimatland zu verlassen, erzählt Rostami und fügt hinzu: „Ich wollte einfach frei sein.“ 135 Menschen aus 26 Nationen leben zurzeit in dem Asylbewerberheim. Viele von ihnen sind nur geduldet, einige seit mehr als zehn Jahren. Andere hingegen haben eine Arbeitserlaubnis oder besuchen Sprachkurse. Die Charaktere sind so verschieden wie die Länder, aus denen Menschen kommen. In mehreren persönlichen Gesprächen und einem Rundgang erfährt der Bundespräsident von ganz unterschiedlichen Schicksalen – ein Besuch, der ihn sichtlich tief bewegt. Asylbewerber sollen sich wahrgenommen fühlen Obwohl er sich gut vorbereitet habe, sei das Treffen mit den Asylbewerbern intensiver gewesen, als er sich das vorgestellt habe, sagt Gauck. „Es ist eben ein Unterschied, ob einem ein Problem begegnet oder ein Mensch“, fügt er hinzu. Es sei falsch anzunehmen, dass die Zuwanderer den Bürgern etwas wegnehmen würden, betont der Bundespräsident. Er sei deshalb zu der Auffassung gekommen, dass die deutsche Gesellschaft einen „Mentalitätswandel“ brauche. Mit seinem Besuch wolle er einen doppelte Botschaft senden: Zum einen sollten die Asylbewerber wissen, dass „wir sie wahrnehmen und sie uns nicht gleichgültig sind“, erklärt Gauck. Ebenso wichtig sei jedoch auch der Appell an die Bürger, den Asylsuchenden im Land aufmerksam zu begegnen. Er wolle ein „Signal geben, dass wir uns nicht mit engem, sondern mit weitem Herzen derer annehmen, die hier Hilfe suchen“, betont das Staatsoberhaupt. Daran arbeitet Rose Dittfurth jeden Tag. Sie ist die amtierende Leiterin des Übergangwohnheims, das an seine Kapazitäten geraten ist, und spricht die Probleme konkret an. „Wir brauchen bundesweit eine Aufweichung der Residenzpflicht und einen freien Zugang der Asylbewerber zu sozialen Leistungen“, sagt Dittfurth. Mit dieser Forderung ist die amtierende Leiterin in diesen Wochen nicht allein. Seit Ende Oktober protestieren Flüchtlinge aus Wohnheimen in ganz Deutschland für freiere Bewegungsmöglichkeiten im Land und eine grundlegende Änderung der deutschen Aslypolitik. Zahlreiche Bewohner sind frustriert Auch im Brandenburger Asylbewerberheim trifft Gauck nicht nur auf Freundlichkeit und Dankbarkeit, sondern teils auch auf ein großes Maß an Frustration. Eine politische Show sei der Besuch des Bundespräsidenten, schimpft etwa Jayne aus Kenia und fragt: „Warum schaut er sich nur die schönen Zimmer an? Warum geht er nicht auf die Toilette und sieht, wie dreckig es ist?“ Es müsse Schluss sein mit der Unterbringung in Massenlagern, fordert Jayne. Bei solch konkreten politischen Forderungen zeigt Gauck sich jedoch vorsichtig. Er werde Gespräche mit Abgeordneten und Vertretern der Regierung führen und um Empathie werben, verspricht der Bundespräsident. Nicht alle Fälle seien einfach zu lösen. Das wichtigste aber sei, bei allen Entscheidungen die Würde jedes einzelnen Menschen zu beachten. dapd (Politik/Politik)
Joachim Gauck bei Flüchtlingen in Bad Belzig
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Peer-Michael Preß
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