Hannover (dapd). Zehn Monate vor der Bundestagswahl haben die Grünen auf ihrem Parteitag eine drohende Führungskrise um Parteichefin Claudia Roth abgewendet und eine scharfe Grenze zu CDU und CSU gezogen. Die Grünen wollten zwar bürgerliche Unionswähler umwerben, aber keine schwarz-grüne Koalition schmieden, betonte das Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin. Roth wurde mit 88,5 Prozent im Amt bestätigt – ein Vertrauensbeweis nach ihrer Niederlage bei der Urwahl der Spitzenkandidaten vor einer Woche. Auch Roths Ko-Vorsitzender Cem Özdemir wurde mit über 80 Prozent für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Wie Roth hatte er keinen Gegenkandidaten. Zur erweiterten Führungsspitze, dem Parteirat, gehört neu auch Göring-Eckardt. Die Bundestagsvizepräsidentin betonte, für ein Bündnis mit der Union nach der Bundestagswahl fehle die inhaltliche Basis. Ziel sei eine Koalition mit der SPD und die Ablösung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sozialreformen zugunsten von Armen und Rentnern Der dreitägige Parteitag in Hannover mit knapp 800 Delegierten forderte tiefgreifende Sozialreformen zugunsten von Armen und Rentnern. Der Hartz-IV-Regelsatz soll von 374 auf 420 Euro steigen. Zudem soll es den Jobcentern mit einem „Sanktionsmoratorium“ bis auf weiteres verboten werden, Arbeitslosen die Hartz-Bezüge zu kürzen. Gefordert wird zudem eine steuerfinanzierte „Garantierente“ im Kampf gegen Altersarmut. Sie soll allen gezahlt werden, die dem Arbeitsmarkt mehr als 30 Jahre zur Verfügung gestanden oder Kinder betreut haben. An der schrittweisen Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre wollen die Grünen aber grundsätzlich nicht rütteln. Auch will die Partei den Spitzensatz der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent erhöhen. Millionäre sollen befristet eine Vermögensabgabe zahlen, und das Aufkommen der Erbschaftsteuer soll verdoppelt werden. Roth begeistert gefeiert Höhepunkt des Parteitags war die leidenschaftliche Rede Roths, mit der die langjährige Vorsitzende am Samstag um Vertrauen warb. „Ihr müsst beantworten, ob ich die Richtige bin – so wie ich bin, mit Ecken und Kanten“, sagte Roth. Sie habe in der vergangenen Woche „Stunden mit Schatten“ durchlebt, doch sei die Trauerzeit nun vorbei. Nach ihrer Rede brach ein Begeisterungssturm aus. Roths Wahlergebnis wurde mit Spannung erwartet, denn bei der Urwahl der Spitzenkandidaten hatte sie nur 26,2 Prozent der Basis-Stimmen erhalten. Sie selbst sprach von einer „Klatsche“, und ihr Rücktritt stand im Raum. SPD-Chef Gabriel gratulierte Roth und Özdemir zur Wiederwahl und bekräftigte den Wunsch der Sozialdemokraten, nach der Bundestagswahl ein rot-grünes Bündnis zu schmieden. CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe kritisierte dagegen, viele Beschlüsse der Grünen könnten auch von der Linkspartei kommen. Die FDP warfen den Grünen vor, sie wollten mit „milliardenschweren Wohltatsversprechen“ Wähler fangen. Eurokrise im Fokus Am Sonntag stand der Kampf gegen die Eurokrise im Fokus. Die Grünen fordern einen EU-Konvent, um den Staatenverbund demokratischer, transparenter und bürgerfreundlicher zu machen. Das Gremium soll noch vor der Europawahl im Mai 2014 seine Arbeit aufnehmen. Weiter will die Partei das EU-Parlament aufwerten: Den Abgeordneten sollen deutlich mehr Mitentscheidungs- und Kontrollrechte übertragen werden. Der neu gewählte Vorsitzende der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, warf Kanzlerin Merkel vor, den Kontinent zu spalten und so „den Nährboden für eine neue nationalistische Verhetzung“ in der EU zu schaffen. Notwendig sei stattdessen eine „Sozialunion“, gerade angesichts massenhafter Jugendarbeitslosigkeit etwa in Spanien. In der Energiepolitik setzen sich die Grünen dafür ein, in Deutschland keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen oder zu genehmigen. Ziel sei es, bis 2030 so schnell wie möglich zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzusteigen. Bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll lehnen die Grünen den niedersächsischen Salzstock Gorleben als Standort weiter kompromisslos ab, weil er „ein geologisch ungeeigneter und politisch verbrannter Schwarzbau“ sei. Die Partei fordert von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) nachvollziehbare und belastbare Sicherheitskriterien bereits im Endlagersuchgesetz. Scharfe Kritik äußerten die Delegierten auch an der deutschen und europäischen Außenpolitik. Deutschland sei inzwischen drittgrößter Waffenlieferant weltweit. Rüstungsexporte in Länder gehörten verboten, deren Regierungen für erhebliche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Zudem sollen Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen nicht länger gewaltsam zurückgewiesen werden, insbesondere keine Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer. Die Grünen lehnen zudem Pläne der Bundeswehr ab, bewaffnete Drohnen anzuschaffen. dapd (Politik/Politik)
Grüne trösten Parteichefin Roth und grenzen sich von Union ab
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen