Frankfurt/Main (dapd-hes). Die Diskussion um Zivilklauseln an hessischen Universitäten wird im Wintersemester weitergehen, so zum Beispiel in Kassel. Bei den Wahlen zum Studierendenparlament Ende Januar sollen sich die rund 22.000 Studenten auch in einer Urabstimmung zur Frage erklären, ob sie eine solche Klausel zur ausschließlich friedlichen Nutzung von Forschungsergebnissen in der Grundordnung der Universität Kassel festgeschrieben sehen wollen. Im Sommer nahm der Senat einen entsprechenden Appell in die „Orientierungen für Professoren“ auf – für den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) nicht genug. „Wir hätten gern eine verbindliche Zivilklausel in der Grundordnung“, sagt Jonas Eickholl vom AStA-Referat für Hochschulpolitik. An der TU Darmstadt verabschiedete die Universitätsversammlung vor kurzem eine förmliche Selbstverpflichtung: „Forschung, Lehre und Studium an der Technischen Universität Darmstadt sind ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen; die Forschung, insbesondere die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme, sowie Studium und Lehre sind auf eine zivile Verwendung ausgerichtet“, steht künftig in der Präambel der Grundordnung der Hochschule. Verweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre Der Leitung der Kasseler Universität ginge das zu weit, sagt ihr Sprecher Guido Rijkhoek: „Unserer Auffassung nach kann es eine verbindliche Zivilklausel gar nicht geben, da das Grundgesetz die Freiheit von Forschung und Lehre vorschreibt.“ Die Hochschulleitung könnte letztlich die Verwendung von Forschungsergebnissen gar nicht kontrollieren, meint Rijkhoek: „Wir leben in einer hochtechnisierten Welt, da kann ein neuartiger Kunststoff für kugelsichere Westen verwendet werden oder für die Panzerung von Militärfahrzeugen.“ Universitäten forschten schließlich grundlagenorientiert. Die sogenannte Dual-Use-Problematik, dass manche Forschung sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen kann, wurde auch an der TU Darmstadt diskutiert, wie ihr Sprecher Jörg Feuck berichtet. Es komme zunächst und vor allem auf die einzelnen Wissenschaftler an, sich die Einsatzmöglichkeiten ihrer Forschung bewusst zu machen. Feuck macht auch klar, dass die Diskussion über die Zivilklausel mit ihrer Festschreibung nicht abgeschlossen ist. Wie ihre Einhaltung kontrolliert werden kann, werde erst noch festgelegt. „Die Versammlung wird ein Regelwerk festlegen, aber es wird sicher keine oberste Zensorstelle geben“, sagt Feuck. Auch der Kasseler Uni-Sprecher Rijkhoek hält die Neufassung des Ethikkodex‘ für Professoren nicht für das Ende der Diskussion über eine Zivilklausel. Wie sein Kollege in Darmstadt betont er, dass es an seiner Universität keinen konkreten Anlass für die Diskussion gebe, sondern diese nur einem bundesweiten Trend folge. In Kassel gibt es jedoch Duale Studiengänge für angehende Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieure, deren Praxisteil bei den Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall MAN Military Vehicles absolviert werden kann. „Darüber wird natürlich diskutiert“, sagt Rijkhoek. Unternehmen reagieren nicht auf Anfragen Der AStA der Universität Kassel plant begleitend zur Urabstimmung über die Zivilklausel eine Podiumsdebatte zu diesen Dualen Studiengängen. Universitätspräsident Rolf-Dieter Postlep sei dem gegenüber aufgeschlossen, berichtet AStA-Referent Eickholl. „Leider reagieren die Unternehmen auf unsere Anfragen einfach nicht.“ Am wichtigsten sei dem AStA aber ohnehin die Diskussion über zweifelhafte Forschungsaufträge an der Universität. „Es ist nötig, Transparenz herzustellen“, sagt Eickholl. Lucas Wirl von der Berliner Naturwissenschaftler-Initiative „Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit“ verfolgt die Diskussion über Zivilklauseln seit langem. Dass es diese Diskussion gibt, hält er schon für einen Gewinn: „Die Hochschulen müssen einfach Transparenz herstellen: Für wen wird geforscht? Wofür wird Geld ausgegeben?“ Das sei umso wichtiger, je mehr Forschung durch Drittmittel finanziert werde, was dem Trend entspreche. Schließlich schränke eine Zivilklausel Forscher nicht ein, sondern verhelfe ihnen umgekehrt zu mehr Autonomie, findet Wirl: „Liegt ihr Zweck offen, wird sie unabhängiger. Die Zivilklausel stützt auch die Wissenschaftler, die ja zum Wohle der Menschen forschen sollen. Das schließt militärische Projekte aus.“ dapd (Politik/Politik)
Wenn die Forschung nur friedlichen Zwecken dienen soll
Veröffentlicht von
Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen