Karlsruhe (dapd-bwb). Als die schwarze Limousine mit dem Kennzeichen 0-1 am Donnerstagvormittag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorfährt und Bundespräsident Joachim Gauck aussteigt, ist die Konstellation klar: Hier trifft ein scharfer Kritiker des DDR-Unrechts auf die oberste Institution des deutschen Rechtsstaats. Da überrascht es nicht, dass Gaucks Lob für das Gericht fast überschwänglich ausfällt. Bei seiner Rede im Sitzungssaal des Verfassungsgerichts, wo vor gut einem Monat noch das Urteil zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM verkündet wurde, spart das Staatsoberhaupt nicht mit lobenden Worten für die Verfassungshüter. Sowohl zum ESM-Urteil, das befriedend gewirkt habe, noch zur Karlsruher Rechtsprechung insgesamt. „Ohne Bundesverfassungsgericht wäre unsere Verfassungsordnung unvollkommen“, sagt Gauck. Deshalb komme er mit großer Freude und tiefer Wertschätzung. In der DDR hätten die Bürger ihre Rechte nicht durchsetzen können. „Es gab keine Instanz, vor der Bürger gegen den sozialistischen Staat klagen konnten“, betont Gauck. Er verweist darauf, dass in der DDR neben dem Verfassungsgericht auch Verwaltungsgerichte fehlten. Deshalb werde er überall, wo es erforderlich sei, „daran erinnern, welch hoher Wert es ist, sein Recht auch gegen den Staat vor Gericht geltend machen zu können“. Unabhängige Gerichte – allein dem Recht verpflichtet, keiner Staatsführung, auch keiner Ideologie oder Idee – seien unverzichtbarer Teil eines Rechtsstaates, unterstreicht der 72-jährige Bundespräsident. Zentral sei dabei die innere unabhängige „Haltung“ der Juristen, die Rechtstreue der Bürger sowie der Richter, der Staatsanwälte, der Rechtsanwälte und der Verwaltungsbeamten. „Es ist ihr Ethos, das geltende Recht richtig anzuwenden“, sagt Gauck. Hier spricht auch der frühere evangelische Pfarrer Gauck, der von 1990 bis 2000 die Stasi-Unterlagenbehörde leitete. Zweimal habe man in der deutschen Geschichte erlebt, „wie Juristen zu Handlangern der herrschenden Macht wurden – wie Recht pervertiert wurde“, sagt Gauck weiter. Menschen aus Staaten, in denen das Rechtsbewusstsein weniger stark ausgeprägt ist, fragten nicht umsonst: „Warum werden Gebote und Verbote eigentlich befolgt?“ In der Bundesrepublik aber sei richterliche Kontrolle in über 60 Jahren selbstverständlich geworden. Gauck: „So krönt das Bundesverfassungsgericht unseren Rechtsstaat.“ Mit seiner Rechtsprechung stelle „das Gericht den Menschen in den Mittelpunkt und nicht mehr den Staat oder die Klasse, wie es oft genug verhängnisvoll in Deutschland geschehen ist“. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle würdigt Gauck in seinem Grußwort als „glühenden Verfechter der Freiheitsidee“. Mit gewissem Understatement sagt Voßkuhle, Bundespräsident und Verfassungsgericht seien als Verfassungsorgane „kleine bescheidene Institutionen“, deren Autorität letztlich auf der Kraft des Wortes beruhe. Am Nachmittag wollte Gauck, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt nach Karlsruhe gekommen war, noch ein weiteres Zeichen setzen – mit dem Besuch der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ im Rastatter Residenzschloss. dapd (Politik/Politik)
Für Gauck ist bei Juristen die unabhängige Haltung entscheidend
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Peer-Michael Preß
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