Berlin (dapd). Nach heftigen gesellschaftlichen Debatten hat das Kabinett am Mittwoch eine Regelung zur Beschneidung von Jungen auf den Weg gebracht. Dem Entwurf zufolge bleibt die religiöse Beschneidung straffrei. Der Beschluss stieß bei Juden und Muslimen überwiegend auf Zustimmung. Kritik kam von Kinderrechtsorganisationen. Eine Beschneidung von Jungen ist dem Kabinettsbeschluss zufolge zulässig, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und das Kindeswohl nicht gefährdet. In den ersten sechs Lebensmonaten des Sohnes dürfen dem Gesetzentwurf zufolge auch Nicht-Mediziner die Beschneidungen vornehmen. Dies gilt aber nur, wenn die jeweiligen Personen dafür besonders ausgebildet sind. Hintergrund des Gesetzes ist ein Urteil des Kölner Landgerichts, das die Beschneidung eines Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet hatte. Regierung und Parlament wollten nach dem Urteil schnell Rechtssicherheit für jüdische und muslimische Eltern schaffen. In beiden Religionen ist die Beschneidung Bestandteil der religiösen Identität. Der Entwurf, der einen neuen Paragrafen1631 d im Recht der elterlichen Sorge in das Bürgerliche Gesetzbuch einführt, geht nun in die parlamentarischen Beratungen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte den Beschluss der Ministerrunde. „Es ist ein guter Tag, der dazu beiträgt, dass wieder mehr Rechtssicherheit eintreten wird“, sagte sie. Regierungssprecher Steffen Seibert stellte klar, dass sich der Gesetzentwurf ausdrücklich auf die Beschneidung von Jungen bezieht. Die gelegentlich fälschlicherweise auch Beschneidung genannte Genitalverstümmelung von Mädchen bleibe in Deutschland verboten. „Sie war es vorher, so ist es auch nach diesem Gesetz“, erklärte Seibert. Nach den Vorstellungen von Grünen-Chef Cem Özdemir sollte der Bundestag ohne Fraktionszwang über das neue Beschneidungsgesetz abstimmen. „Die Frage der Beschneidung von Jungen ist keine, die per Mehrheitsbeschluss in Parteien entschieden werden sollte“, sagte Özdemir. Deswegen sei der Vorschlag richtig, die Abstimmung im Parlament vom Fraktionszwang zu befreien. Positive Reaktion von Juden und Muslimen Der Zentralrat der Juden äußerte sich zufrieden. „Der Gesetzentwurf ist sehr gelungen und geglückt“, sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann dem Fernsehsender Phoenix. Die Politik in Deutschland habe zügig, verantwortungsbewusst und sensibel gehandelt. Auch die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch, wertete die rasche Entscheidung als „wichtigen und richtigen Schritt“. Der Gesetzentwurf sei „ausgewogen und geeignet, die entstandene Rechtsunsicherheit zu beseitigen“. Der Zentralrat der Muslime forderte derweil kleine Nachbesserungen. Dessen Vorsitzender Aiman Mazyek stellte im Bayerischen Rundfunk den Begriff des „Kindeswohlvorbehalts“ in Frage. Dieser Punkt sollte noch diskutiert werden. Insgesamt gehe der Gesetzentwurf aber in die völlig richtige Richtung, sagte Mazyek. Damit werde das „unmissverständliche Signal von Deutschland“ ausgehen, dass Juden und Muslime nicht kriminalisiert würden. Außerdem werde wieder Rechtssicherheit geschaffen. Kritik von der Linken und Menschenrechtsverbänden Kritik übte der Rechtsexperte der Linken, Wolfgang Neskovic. Der Gesetzentwurf sei ein „parlamentarischer Schnellschuss auf Kosten der Kinderrechte“. Er verstoße gegen das Grundgesetz und sei mit dem Völkerrecht nicht vereinbar. Die Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ beklagte, dass das Recht von nichteinwilligungsfähigen Jungen auf ihre körperliche Unversehrtheit zu wenig geschützt werde. Dass „die Regeln der ärztlichen Kunst“ bei der Beschneidung im Gesetz nicht näher definiert würden, sei fatal. Auch von der Deutschen Kinderhilfe gab es harsche Einwände. Sie nannte den Entwurf einen „aktionistischen Schnellschuss“. „Während die Ohrfeige verboten ist, soll nun ein irreversibler, mit den Risiken von erheblichen Nebenwirkungen verbundener und ausgesprochen schmerzhafter Eingriff egal aus welchen Gründen erlaubt werden“, mahnte Vorstandsvorsitzender Georg Ehrmann. dapd (Politik/Politik)
Religiöse Beschneidung soll in Deutschland straffrei bleiben
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Peer-Michael Preß
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