Berlin (dapd). Der SPD-Vorstand kann sich einer Mehrheit für sein Rentenkonzept nicht sicher sein. Der SPD-Arbeitnehmerflügel und der Parteinachwuchs forderten am Montag vor allem einen Verzicht auf die geplante Senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent des Nettodurchschnittsverdienstes. Auch die vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel angestrebten Änderungen bei der Rente mit 67 stellte die Kritiker nicht zufrieden.
Der SPD-Vorstand wollte am Vormittag über das Rentenkonzept der Partei beraten. Wegen der vielen Kritik war unklar, ob der Vorstand – wie ursprünglich geplant – das Gesamtkonzept als Vorlage für einen kleinen Parteitag am 24. November verabschieden wird. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, laut einer Beschlussempfehlung Gabriels sollten Arbeitnehmer mit 45 Versicherungsjahren ohne Einbußen mit dem 65. Geburtstag in Rente gehen können. Bisher ist dies nur nach 45 Beitragsjahren möglich. Als Versicherungszeiten gelten aber auch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Kindererziehungsjahre. „Es geht darum, die gerecht zu behandeln, die ganz lange schon arbeiten“, sagte Gabriel am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ Die Änderung hatten Gewerkschaften und Parteilinke gefordert. SPD-Arbeitnehmern kommen die Frauen zu kurz Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Klaus Barthel, sagte der „Berliner Zeitung“ dazu: „Es ist gut, dass Bewegung in die Debatte kommt. Es ist auch gut, wenn ein paar mehr Arbeitnehmer Vorteile haben.“ Für die Frauen werde dadurch aber nichts erreicht. Deren Berufsleben sei oft durch längere Erziehungszeiten unterbrochen. Außerdem arbeiteten Frauen häufig in sozialversicherungsfreien Minijobs. Gabriel müsse außerdem deutlich machen, dass er zum SPD-Parteitagsbeschluss stehe, wonach die Rente mit 67 erst gelten soll, wenn die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen eine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben. Barthel forderte, außerdem müsse über die geplante Senkung des Rentenniveaus von heute 51 des durchschnittlichen Nettolohns auf 43 Prozent im Jahr 2030 gesprochen werden. Der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt sagte, das Rentenniveau müsse bei mindestens 50 Prozent liegen. „Für die Absenkung auf 43 Prozent gibt es weder bei den Anhängern der SPD noch im Parteivorstand oder den Gewerkschaften eine Mehrheit“, sagte er der Zeitung „Die Welt“. Jusos geben der Parteiführung noch einen Schuss frei Vogt verlangte, die Partei solle sich für das Thema Rente mehr Zeit zur Diskussion nehmen. „Die SPD-Spitze hat hier jetzt noch einen Schuss frei, und der muss sitzen“, sagte er. Parteichef Gabriel und der Bundestagsfraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier müssten sich bewegen. Bis zum Parteikonvent Ende November sei ein kohärentes Konzept gefragt. Die Rente sei für die SPD ein wichtigeres Thema als Hartz IV, weil sie viel mehr Menschen betreffe, meinte Vogt. „Nur mit einem klaren Ja zur gesetzlichen Rente und einem Nein zu obskuren Privatrenten können wir die Bundestagswahl gewinnen“, sagte er. „Wer sie gewinnen will, muss zeigen, dass Lebensleistung auch künftig anerkannt wird.“ Der Juso-Chef sprach sich für steigende Beiträge zur Rentenversicherung aus. „Wir sollten so mutig sein und die Beiträge stärker steigen lassen“, sagte er. Jedes vorgeschlagene Modell koste Geld. „Da ist die gesetzliche Rentenversicherung die sicherste Bank“, sagte Vogt. Der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie forderte die Angleichung der Renten in Ost und West. Das gehöre zwingend ins Rentenkonzept. „Ich finde, dass wir nicht auf Dauer getrennte Rentensysteme haben können in Ost und West“, sagte Matschie dem Radiosender MDR-Info.