Berlin/Schönefeld (dapd-lbg). Die Gegensätze in der zivilen Luftfahrt können größer kaum sein: Die Flugzeugindustrie boomt, die Luftverkehrswirtschaft dagegen krebst zumindest in Europa und Amerika an der Grenze zwischen roten und schwarzen Zahlen. In diesem Umfeld kommt die Fachwelt in der kommenden Woche zu einer ihrer größten Messen zusammen, der ILA. Auch hier wird die These „Verkehr ist zu billig“ eine neue Bestätigung finden. Die Fluggesellschaften verhelfen der gesamten Branche zu Gewinnen, kommen aber selbst nicht nachhaltig in die Gewinnzone. Sie haben vor Jahren, als sie sich auf ihr „Kerngeschäft konzentrieren“ wollten, ihre Anteile an den Reservierungssystemen teilweise oder ganz verkauft in der Annahme, das werfe ohnehin kaum Gewinne ab. Ein kapitaler Fehler, wie man heute weiß. Jetzt wird teilweise versucht, sie wieder zurückzukaufen. Die Marge der Reservierungssysteme übertrifft die der Fluggesellschaften bei weitem. Neben dem schon bekannten Problem der Konkurrenz aus den arabischen Ländern haben die deutschen Gesellschaften auch noch kein Rezept gefunden, wie sie den nationalen Verkehr rentabel gestalten können. „Die deutschen Fluggesellschaften haben – verglichen mit manchen Nachbarn – das Problem der dezentralen Struktur des Landes“, sagt Klaus-Peter Siegloch, der Präsident des Verbandes der deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL. „Die Ballungsräume Frankfurt und München haben etwa im Vergleich zu London und Paris zu wenig Einwohner, Berlin hat zu wenig Geschäftsreisende.“ Deshalb ist es ganz gefährlich für Lufthansa und Air Berlin, wenn sie im Inlandsverkehr Preiskriege miteinander ausfechten. Die Fachleute sind sich einig: Fliegen wird teurer werden, schon wegen der objektiven Preistreiber Kerosin, Luftverkehrssteuer oder Emissions-Zertifikate. Dazu kommt, dass die regionalen Flughäfen die Landegebühren auf den Prüfstand stellen müssen, weil die öffentliche Hand nicht mehr auf EU-Subventionen rechnen kann und die Länder sich zur Schuldenbremse verpflichtet haben. Deshalb „wird auch das Feld für Billig-Airlines schwieriger“, sagt Siegloch. Die Flugzeugindustrie dagegen kann sich gerade wegen der heiklen Situation der Airlines freuen. Airbus zum Beispiel bezifferte gerade den weltweiten Bedarf bis 2031 auf 28.200 Passagier- und Frachtmaschinen. Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn storniert trotz Finanznot die Bestellungen für Airbusse und Boeings nicht, sondern will alle Verträge einhalten. Er begründet das damit, dass eine junge Flotte wegen geringen Kerosinverbrauchs und geringer Wartungskosten am Ende Geld spare. Wenn die Flugzeuge größer werden, wird auch das Problem größer. Weil noch mehr Fluggäste zu nicht kostendeckenden Tarifen zu den Hubs gebracht werden müssen. Die Kosten müssen sinken. Das ist übrigens auch der wirtschaftliche Hintergrund für den aktuellen Streik der Lufthansa-Flugbegleiter. Hauptgeschäftsführer Dietmar Schrick vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) sagt: „Die Flugzeugindustrie hat ein gutes Auftragspolster.“ Es reiche für sechs bis sieben Jahre. „Airbus schiebt mehr als 4.500 Bestellungen und Optionen vor sich her, bei Boeing ist es ähnlich. Deshalb soll die Produktion in den nächsten drei Jahren um 40 Prozent gesteigert werden.“ Die Flugzeugindustrie, zu der in Deutschland auch sehr viele Zulieferer gehören, hat im Moment eher ein Luxusproblem, „den akuten Fachkräftemangel“, sagt Schrick. BDLI-Sprecher Christopher Bach ergänzt, dass sein Verband auf der ILA mit einem Career Center die „größte Job-Plattform in Europa“ der Branche bereitstellt. So ist der Boden für erfolgreiche Geschäfte auf dem neuen Messegelände in Schönefeld bereitet. Nur vor einem unbeeinflussbaren Faktor haben alle bei der ILA Respekt: dem Wetter. Die Zahl der möglichen Flugzeugbestellungen beeinflusst das natürlich nicht. Aber für die Publikumstage ist es ausschlaggebend. 200.000 Besucher sollen es bei schönem Wetter werden. (ILA: http://www.ila-berlin.de/ila2012/home/index.cfm BDLI: http://www.bdli.de BDL: http://www.bdl.aero ) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Kostendruck der Airlines beflügelt die Flugzeugindustrie
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Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen