Wirtschaft Regional im Interview mit Dietmar Engel, Dr. Oliver Middendorf und Alexander Schallock von HLB Stückmann in Bielefeld. HLB Stückmann ist die führende selbständige Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Ostwestfalen-Lippe. 17 Partner und 125 Mitarbeiter kümmern sich in Bielefeld in der Beratungs- und Prüfungstätigkeit insbesondere um mittlere und große Unternehmen des Mittelstandes. In diesem Jahr feiert HLB Stückmann sein 80-jähriges Bestehen.
Wie nehmen mittelständische Unternehmen Chancen im Ausland wahr?
Dr. Oliver Middendorf: Unsere Erfahrung zeigt, dass unsere mittelständischen Mandanten ihre Chancen im Ausland auf die unterschiedlichste Art und Weise wahrnehmen.
Alexander Schallock: Der Anteil der Umsatzerlöse aus dem Exportgeschäft übersteigt bei den Unternehmen in Ostwestalen/Lippe mittlerweile nicht selten den Inlandsumsatz. Allerdings beschränkt sich das Auslandsgeschäft häufig noch auf Direktgeschäfte mit ausländischen Kunden bzw. externen Handelsvertretern ohne vor Ort über eine eigene physische Präsenz zu verfügen
Dietmar Engel: Der Start geht zurzeit meistens über erste Vertriebsaktivitäten (Agenten, dann eigene Gesellschaften). Dann folgt der Aufbau einer Produktion, die vielfach als Zulieferer für die deutschen Werke fungiert.
Dr. Oliver Middendorf: Konkret bedeutet dies, dass die Geschäftsbeziehungen zum Ausland zunächst mit dem Export von Waren und Maschinen beginnen. Erreicht der Export dann ein bestimmtes Volumen folgt häufig die Gründung von ausländischen Tochtervertriebsgesellschaften, durch die der Auslandsvertrieb effizienter und effektiver abgewickelt werden kann. Zudem wünschen sich viele ausländische Kunden unserer Mandanten häufig einen Ansprechpartner vor Ort. Andere Mandanten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, im Ausland aufgrund der dort günstigeren Kostenstruktur produzieren. In diesem Fall werden regelmäßig Produktionsgesellschaften im Ausland gegründet. Vielfach wurden unsere Mandanten auch von ihren eigenen Kunden ins Ausland „gezogen“. So z.B. Zulieferer der Automobilindustrie, die im Ausland zunächst Konsignationslager aufgebaut haben und später jedoch mit Produktion oder Veredelung ins Ausland zum Kunden gegangen sind.
Alexander Schallock: Um weitere Wachstumschancen nutzen und der zunehmenden lokalen Konkurrenz etwas entgegensetzen zu können, werden zudem vermehrt eigene Büros für den Vertrieb aufgebaut.
Für welche Unternehmen macht es Sinn ins Ausland zu gehen?
Dr. Oliver Middendorf: Für alle Unternehmen, die im Ausland für ihr bisheriges Geschäft weitere gute Entwicklungschancen sehen. Die Chancen können dabei sehr vielfältig sein.
Dietmar Engel: Zu denken ist hier sicherlich zunächst mal an alle Produktionsunternehmen, aber auch zunehmend Dienstleister.
Alexander Schallock: In der Vergangenheit waren es vor allem die Kostenvorteile, die mittelständische Produktionsunternehmen zum Aufbau einer Produktion im Ausland bewogen haben. Dieser Prozess hält auch nach wie vor an. Durch die dynamische wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in Asien und Südamerika und dem damit verbundenen Anstieg der Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten, bieten sich zunehmend für Unternehmen, die private Konsumenten als Kundenbasis haben, neue Chancen für Wachstum.
Was sind die häufigsten Gründe für ein Scheitern im Ausland?
Alexander Schallock: Neben den weiterhin bestehenden und teilweise wieder zunehmenden bürokratischen Hürden sind vor allem mangelnde Kenntnisse über die kulturellen Unterschiede verantwortlich für das Scheitern der Auslandsexpansion. Dies gilt insbesondere für Investitionen in den sich entwickelnden Volkswirtschaften. Eine enge Abstimmung mit lokalen Ratgebern, die sich auf deutsche Unternehmen spezialisiert haben, ist daher bereits in einer frühen Phase der Vorbereitung unerlässlich.
Dr. Oliver Middendorf: Viele Mittelständler verfahren immer noch nach dem Motto „Wir fangen erstmal an und sehen dann weiter!“ Durch das Anfangen werden jedoch Fakten geschaffen, die später gar nicht oder nur mit hohem Aufwand korrigiert werden können. Beispielsweise wird bei Joint-Ventures vielfach (unnötig) sehr viel Know-How gegenüber dem Joint-Venture-Partner preisgeben, welches dieser dann häufig zu seinem eigenen Vorteil nutzt. Im steuerlichen Bereich werden zum Beispiel keine steueroptimalen Strukturen geschaffen oder Verrechnungspreise für Lieferungen an die ausländische Gesellschaft falsch bestimmt und nicht dokumentiert. Dies kann zu erheblichen Steuernachzahlungen führen.
Dietmar Engel: Auch ich sehe in den vielfach unterschätzten kulturellen Unterschiede einen Hauptgrund; sowohl im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern, aber auch bei Produktpräsentation, Pricing, Qualitätsansprüchen usw.. Der deutsche „Weg“ kann helfen aber auch schaden…