Hamburg (dapd-nrd). „Ihr wollt uns verdummen!“, „Das sind nur Phrasen!“, „Wir sind die Eigentümer!“ – Im ehrwürdigen holzgetäfelten Tanzsaal des Hamburger Curiohauses ging den Aktionären der hoch verschuldeten Baumarktkette Praktiker der Hut hoch, als der Vorstand am Mittwoch seine Pläne für die Zukunft des Unternehmens erläuterte. Die Anteilseigner sollen 60 Millionen Euro als Kapitalerhöhung in das marode Unternehmen einbringen und gleichzeitig den wertvollsten Teil der Firma, die Tochter Max Bahr, als Sicherheit für einen Kredit verpfänden. Lehnen sie ab, ist Praktiker laut Finanzvorstand Markus Schürholz „unmittelbar von der Insolvenz bedroht“. Ein Aktionär murmelte von „Erpressung“. „Skandalös und nicht akzeptabel“, schimpfte die Sprecherin der Großaktionärin Semper-Constantia-Bank, Isabella de Krassny. Sie forderte den Rücktritt des Aufsichtsrats und verlangte neue Vorstände, „die etwas vom Geschäft verstehen“. Erst auf die Fragen der Aktionäre auf der Hauptversammlung wurde bekannt, wie schlimm es tatsächlich um Praktiker steht: 2011 warfen nur 72 der 234 Praktiker-Märkte Geld ab. Für Berater gab der Vorstand 2011 und 2012 hohe zweistellige Millionensummen aus, der Ex-Vorstandschef Thomas Fox kassierte 5.000 Euro am Tag, ehe er wegen Erfolglosigkeit gehen musste. Darum geht es: Praktiker setzte jahrelang auf eine Billigstrategie („20 Prozent auf alles“) und rutschte tief in die roten Zahlen. 2011 machte das Unternehmen einen Verlust von über 500 Millionen Euro. Der Konzern ist inzwischen hoch verschuldet und ringt ums Überleben. Der neue Vorstandsvorsitzende Kay Hafner will nun auf der Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung von 60 Millionen Euro durchdrücken, sowie den Umzug des Konzerns aus dem saarländischen Kirkel nach Hamburg. Außerdem sollen die Aktionäre ein Darlehen von 85 Millionen Euro vom US-Investmenthaus Anchorage billigen. Insgesamt kostet der Sanierungsplan laut Vorstand 160 Millionen Euro. Die Aktionäre sind empört: Eine Kapitalerhöhung senkt den Wert alter Aktien und ist daher unbeliebt. De Krassny und andere Aktionärsvertreter kritisierten aber vor allem den geplanten Einstieg von Anchorage. Der Investor soll 17 Prozent Zinsen für das Darlehen erhalten sowie als Sicherheit die profitable Praktiker-Tochter Max Bahr mit 78 Filialen. Der Vorstand setzt den Wert von Max Bahr mit 112 Millionen Euro an, der Kredit beträgt aber nur 85 Millionen Euro. „Nur Fun, Null Risk“, sagte Markus Neumann vom Aktionärsschützerverband SDK. De Krassny sagte, die von ihr vertretenen Aktionäre hätten eine alternative Finanzierung von 55 Millionen Euro sichergestellt, und sie sei überzeugt, ebenfalls 85 Millionen Euro zusammenzubekommen. „Und das für nur 13 Prozent Zinsen“, sagte sie. Die Bankmanagerin spricht für mindestens 15 Prozent des Aktienkapitals. Weil nur 27 Prozent des Stammkapitals bei der Hauptversammlung in Hamburg anwesend sind, hätte sie damit die Stimmenmehrheit. Der Vorstand hatte ihre Anträge zur Neuwahl des Aufsichtsrats vor der Hauptversammlung abgeblockt. Die Gruppe der Großaktionäre besteht aus der Wiener Privatbank Semper Constantia und dem Fonds Maseltov. Vorstandschef Hafner sagte dagegen, sein Konzept müsse wie von ihm vorgelegt beschlossen werden: „Bricht nur eine wesentliche Stütze aus dem Gerüst heraus, fällt auch der Rest.“ Er drohte mit dem Ende des Unternehmens. Finanzchef Schürholz blieb unklar bei der Frage, ob Praktiker sofort nach einer Ablehnung des Sanierungsplans Insolvenz anmelden müsse. Die Überlebensfähigkeit der Gruppe „ist dann rechtlich infrage gestellt“, sagte er. Ob sofort nach dem Beschluss der Gang zum Konkursgericht fällig werde, müsse der Vorstand dann „prüfen“. Nach der uneindeutigen Antwort riefen Aktionäre „Legen Sie ihr Amt nieder“ und „Wir sind die Eigentümer!“ (Achtung Redaktionen: Gegen 16.00 Uhr lief noch die Aussprache, ein Ende der Hauptversammlung war nicht abzusehen.) dapd (Wirtschaft/Wirtschaft)
Ihr wollt uns verdummen!
Veröffentlicht von
Peer-Michael Preß
Peer-Michael Preß – Engagement für die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region seit fast 20 Jahren. Als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Press Medien GmbH & Co. KG in Detmold ist er in den Geschäftsfeldern Magazin- und Fachbuchverlag, Druckdienstleistungen und Projektagentur tätig. Seine persönlichen Themenschwerpunkte sind B2B-Marketing, Medien und Kommunikationsstrategien. Sie erreichen Peer-Michael Preß unter: m.press@press-medien.de www.press-medien.de Alle Beiträge von Peer-Michael Preß anzeigen