Karlsruhe (dapd). Die Bundesregierung hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Parlament zu spät über den Euro-Stabilisierungsmechanismus unterrichtet und damit die Informationsrechte des Bundestages verletzt. Auch die Pläne für den Euro-Plus-Pakt wurden dem Bundestag verspätet übermittelt. Mit der am Dienstag verkündeten einstimmigen Entscheidung gab der Zweite Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle der Klage der Grünen statt. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nannte das Urteil in seiner Einleitung einen „weiteren wichtigen Baustein in einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung nationaler parlamentarischer Verantwortung“. Es werde immer wieder darauf hingewiesen, die Regierung müsse bei der Bewältigung der Schuldenkrise „schnell und effizient“ handeln und parlamentarische Beteiligungsrechte wirkten hier oft kontraproduktiv. Demokratie habe aber ihren Preis. „Bei ihr zu sparen, könnte aber sehr teuer werden“, sagte Voßkuhle. Der Zweite Senat legte in seinem Urteil genaue Kriterien für die künftige Beteiligung des Bundestages fest. Danach muss die Bundesregierung das Parlament auch über Ergänzungsverträge der Europäischen Union unterrichten. Die Weitergabe muss so frühzeitig erfolgen, dass das Parlament „nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle gerät“, sagte Voßkuhle. In der Regel müsse der Bundestag auch über Zwischenschritte informiert werden, damit eine gründliche Debatte der Abgeordneten und die Erarbeitung einer Stellungnahme möglich ist. In der Regel müsse die Information schriftlich erfolgen. Nur solange die Willensbildung innerhalb der Regierung noch nicht abgeschlossen ist, bestehe kein Informationsrecht des Bundestages. Sobald aber Zwischen- und Teilergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben werden können, falle ein Vorhaben auf Europaebene nicht mehr in die exekutive Eigenverantwortung der Bundesregierung. Nach diesen Maßstäben habe die Bundesregierung das Parlament im Februar 2011 zu spät informiert. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sei nach seinem Inhalt eine Angelegenheit der Europäischen Union, die ein umfassendes Informationsrecht des Bundestages auslöse. Dafür spreche bereits, dass der ESM auch durch eine Vertragsänderung abgesichert wird. Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof erhielten neue Zuständigkeiten zur Überwachung des Finanzierungsprogramms. Ein Textentwurf zum ESM habe der Bundesregierung spätestens am 21. Februar 2011 vorgelegen, ein Vertragsentwurf folgte am 6. April. Eine Übermittlung der Dokumente an den Bundestag habe jedoch nicht stattgefunden. Die spätere Unterrichtung am 17. und 18. Mai habe an der Verletzung der Parlamentsrechte nichts mehr geändert. Denn die Informationspflicht der Bundesregierung könne nicht „in einem Gesamtpaket“ erledigt werden, heißt es in dem Urteil. Auch in den Euro-Plus-Pakt sei der Bundestag zu spät eingeweiht worden. Der Euro-Plus-Pakt soll eine qualitative Verbesserung der Wirtschaftspolitik und der öffentlichen Haushaltslage in den Mitgliedsstaaten der Eurozone bringen. Das nationale Steuer- und Sozialrecht können künftig von der EU stärker überwacht werden. Damit berühre der neue Pakt Funktionen des Bundestages, befand das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Ein Informationsrecht des Parlaments habe folglich frühzeitig und umfassen bestanden. Dem sei die Bundesregierung auch hier nicht nachgekommen. Spätestens zwei Tage bevor Deutschland und Frankreich die Pläne dem Europäischen Rat vorstellten, hätte der Bundestag eingebunden werden müssen. Das wäre der 2. Februar 2011 gewesen. Stattdessen wurde der offizielle Entwurf am 11. März 2011 übersandt. Zu diesem Zeitpunkt „bestand für den Deutschen Bundestag keine Möglichkeit mehr, dessen Inhalt zu diskutieren und durch deine Stellungnahme auf die Bundesregierung einzuwirken“, urteilten die Verfassungsrichter. Denn noch am gleichen Tag einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den Euro-Plus-Pakt. dapd (Politik/Politik)
Bundesregierung hat das Informationsrecht des Parlaments verletzt
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Peer-Michael Preß
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