Göttingen (dapd). Die Hoffnung der Linken auf ein Signal des Aufbruchs nach den erbitterten Flügelkämpfen war vergeblich. So oft auf dem Parteitag in Göttingen der Zusammenhalt beschworen wurde, so oft konnten sich Vertreter der Radikalen und Reformer Kritik am jeweils anderen Lager nicht verkneifen. An der Spitze der Partei stehen mit Katja Kip Göttingen (dapd). Die Hoffnung der Linken auf ein Signal des Aufbruchs nach den erbitterten Flügelkämpfen war vergeblich. So oft auf dem Parteitag in Göttingen der Zusammenhalt beschworen wurde, so oft konnten sich Vertreter der Radikalen und Reformer Kritik am jeweils anderen Lager nicht verkneifen. An der Spitze der Partei stehen mit Katja Kipping und Bernd Riexinger nun eine Frau, die keiner Hauptströmung zugeordnet wird, und ein Gewerkschafter des Lafontaine-Lagers – die Reformer sind frustriert, die Radikalen feiern. Dabei hat die Partei es bitter nötig, gemeinsam zu kämpfen. In Umfragen rutscht sie immer weiter ab und befindet sich inzwischen gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Bundestagswahlkampf beginnt in wenigen Monaten, die Wähler wollen überzeugende Angebote sehen und nicht ständige Neuauflagen des immer gleichen Grundkonflikts. Kipping und Riexinger starten ihre neuen Jobs mit Makeln. Die 34-jährige Kipping hatte bis Freitag vehement für einen „dritten Weg“ jenseits der Lager geworben. Dazu wollte sie eine Doppelspitze mit NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen bilden, den Ko-Vorsitz mit Riexinger lehnte sie im dapd-Interview ab. Doch am Samstag wurde den beiden Frauen offenbar klar, wie gering die Chancen waren, dass sie tatsächlich beide gewählt würden. Schwabedissen zog sich zurück. Kipping gewann die Wahl, und doch scheiterte sie. Denn eine Führungsspitze ohne Beteiligung der Flügel hat sie nicht durchsetzen können. Unter den Reformern gibt es bereits Stimmen, die ihr unterstellen, sie habe den „dritten Weg“ nie gewollt. Riexinger wiederum ist für das Reformerlager ohnehin ein rotes Tuch. Zu schnell und zu deutlich hatten sich Ex-Parteichef Oskar Lafontaine und dessen Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht für den Baden-Württemberger ausgesprochen. Zudem warben prominente Radikale und Riexinger selbst für die Doppelspitze mit Kipping. Seine Ankündigung, die Integration der Partei voranzutreiben, werden die Reformer dem Gewerkschafter nicht abkaufen. Verschlimmert wurde die Lage noch durch Riexingers Unterstützer, die nach dem Wahlsieg Jubelgesänge anstimmten. Dadurch sei Vertrauen zerstört worden, sagte der neue Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der für Bartsch geworben hatte. Riexingers Wähler müssten zeigen, dass sie auch die andere Seite weiterhin in der Partei haben wollten. Da ist es wieder, das Gespenst der Spaltung. Nicht nur, dass prominente Sozialdemokraten schon frohlockend das Auseinanderfallen der Linken vorhersagen. Auch Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi hält die Spaltung für möglich. Wenn es nicht gelinge, die Partei zu einen, müsse man sich trennen. Er sei es leid, in den ewigen Streitereien zu vermitteln, sagte er. Lafontaine hält dagegen. Es gebe überhaupt keinen Grund, von Spaltung zu reden. In den Reden von Gysi und Lafontaine wurde deutlich, wie weit sie sich voneinander entfernt haben. Gysi nimmt es dem Saarländer übel, seinen Vorschlag abgelehnt zu haben, wonach Lafontaine Parteichef und Bartsch Bundesgeschäftsführer hätte werden sollen. Lafontaine schlägt zurück: Parteichef und Geschäftsführer müssten einander vertrauen. Außerdem hätten schon vor Monaten erklärte Kandidaturen die bisherige Parteiführung geschwächt – dieser Vorwurf trifft ausschließlich auf seinen Lieblingsfeind Bartsch zu. Es scheint, als sei die Lage der Linken noch nicht dramatisch genug, um auf interne Attacken zu verzichten. Fast jeder Redner appellierte an den Parteitag, der Streit müsse enden, Kooperation müsse her. Doch es verging stets nur wenig Zeit bis zum nächsten Verbalangriff. So zog Parteivize Heinz Bierbaum, ein Lafontaine-Vertrauter, mit seiner überraschenden Kandidatur für das Amt des Bundesschatzmeisters hämische Bemerkungen der Reformer auf sich. Kipping und Riexinger sind dazu verdammt, an einem Strang zu ziehen und den versprochenen Neustart anzupacken. Eine erste gemeinsame Botschaft gelang ihnen immerhin am Sonntag: Beide unterstützten Höhns Kandidatur als Bundesgeschäftsführer. Das war leicht, es gab keinen Gegenkandidaten. Doch eine Strategie für das Zusammenführen der Flügel müssen die neuen Vorsitzenden erst noch finden. Die Tatsache, dass sie sich kaum kennen, wird das nicht leichter machen. dapd (Politik/Politik)
Authors: dapd News