Berlin (dapd-bay). Der einstige bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber traut vielen Politikern offenbar nicht zu, vernünftig mit dem Internet umzugehen und dessen Folgen zu regulieren. „Viele Politiker nutzen das Internet, aber sie verstehen es nicht“, sagte der 70-jährige Ehrenvorsitzende der CSU in einem Interview, das im „Jahrbuch Fernsehen 2012“ erschienen ist, herausgegeben unter anderem vom das Grimme-Institut für Medienkultur und Kommunikationspolitik.
Junge Menschen ließen sich „den gesamten Kontakt zur Welt durch Facebook filtern“, sagte Stoiber. Dabei sei es „schon ein Problem, dass die Generation der heute verantwortlichen Politiker nicht mit dem Internet sozialisiert worden ist“. Stoiber mahnte: „Netzkompetenz gehört heute auch zur politischen Verantwortung.“
Mit Sorge sehe der einstige Medienpolitiker die Marktmacht, die Online-Konzerne mit dem Gang an die Börsen erlangt hätten. Im Zeitalter des Internets bräuchte es „mehr koordinierte europäische Technologiepolitik“, aber auch eine Regulierung in Deutschland. „Denken Sie an Google mit seinem Dienst Youtube“, sagte Stoiber. „Müssten wir da nicht das Medienkonzentrationsrecht verändern?“
Stoiber erinnerte in dem Gespräch außerdem daran, dass das Internet längst ein Thema für die gesamte Gesellschaft sei. „Es gibt inzwischen auch 80-Jährige, die machen eine Homepage auf, so wie man früher noch einmal ein Bäumchen gepflanzt hat“, sagte Stoiber, der aber zugleich auch einräumte, er starte seinen Tag nach wie vor mit der klassischen Zeitungslektüre: „Ich liebe das und verteidige das.“
Der Piratenpartei räumte Stoiber allen Lücken in der Netzpolitik zum Trotz keine größere Chancen ein. „Inzwischen gibt es auch so eine Art Realitätsschock bei den Piraten, und erste Sympathisanten werden schon nachdenklich“, sagte er. Mit der Tendenz, sich im Internet „völlig nackt“ zu machen, drohe „eine Aufhebung von historischen Errungenschaften, zum Beispiel des Schutzes der Menschenwürde“.
Stoiber kritisierte zudem die Tendenz, die Rechte von Bildern und Texten zu lockern. „Ich halte es für hoch problematisch, wenn Urheberrecht und geistiges Eigentum auf dem Altar der Netzfreiheit komplett geopfert werden sollen“, sagte der CSU-Politiker weiter. „Das wäre auch die Zerstörung unseres kreativen Potenzials“.