Berlin (dapd). Bundeskanzlerin Angela Merkel muss nach Ansicht der CSU bei der Energiewende aufs Tempo drücken. „Wir können uns nicht noch mehr Zeitverlust erlauben“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Allerdings wurden am Wochenende in der schwarz-gelben Koalition Zweifel laut, ob der Umstieg von Atomstrom auf erneuerbare Energien innerhalb von zehn Jahren überhaupt machbar ist. Merkel musste Probleme beim Ausbau der Stromnetze einräumen: „Hier sind wir an vielen Projekten im Rückstand“, sagte die CDU-Vorsitzende.
Dobrindt sagte der Nachrichtenagentur dapd, in Bayern sei der Start in den Umbau der Energieversorgung sehr erfolgreich gewesen. Aber viele Investoren zögerten jetzt. Denn der Bund habe notwendige Rahmenbedingungen noch nicht auf den Weg gebracht.
Die CSU setze „stark“ darauf, dass der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) schnell Ergebnisse präsentiere. Ein zentrales Projekt sei der Ausbau der Stromnetze in Deutschland. Hier müsse „bis Ende des Jahres ein Bundesnetzplan beschlossen sein“, sagte der CSU-Generalsekretär.
Merkel will sich am Dienstag bei der Bundesnetzagentur in Bonn darüber informieren, wie der Netzausbau beschleunigt werden kann. Wirtschaftsminister Philipp Rösler kündigte an, die Agentur solle 400 Kilometer Stromautobahn in Eigenregie planen. Mit dem neuen Netzentwicklungsplan wolle der Bund Projekte mit besonderer Priorität selbst in die Hand nehmen, sagte Rösler der „Passauer Neuen Presse“.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nannte es „ein überaus ehrgeiziges Ziel“, bis zum Abschalten der letzten deutschen Atomkraftwerke den Anteil der erneuerbaren Energien auf 40 Prozent zu erhöhen. „Wir werden eine ganze Reihe von Gas- und Kohlekraftwerken bauen müssen – möglicherweise mehr, als wir zunächst dachten“, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister der „Welt am Sonntag“. Er warf den Bundesländern vor, ohne Rücksicht auf Klimaschutz und Liefersicherheit eine autarke Energieversorgung anzustreben.
Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte: „Bisher reduziert sich die Energiewende leider darauf, dass wir die Atomkraftwerke abschalten wollen, aber die Konsequenzen nicht zu Ende gedacht haben.“ Selbst der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen habe einräumen müssen, es könnte durchaus sein, dass „das eine oder andere AKW doch länger laufen muss als geplant“.
Untersteller widersprach dieser Interpretation seiner Aussagen. Richtig sei, dass Atomstrom mittelfristig nicht allein von Sonne und Wind ersetzt werden könne. „Deutschland benötigt auf absehbare Zeit natürlich fossile Energieträger und Kraftwerke, vor allem hoch effiziente Gaskraftwerke.“ Es sei Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für Bau und Betrieb solcher Kraftwerke geschaffen würden.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hielt der Bundesregierung Versäumnisse vor. „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dieses Projekt von nationaler Bedeutung viel zu sehr laufen gelassen, das hätte von Anfang an von ihr zur Chefsache erklärt werden müssen“, sagte Kretschmann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.