Detmold. Magische Momente versprechen die Lipper für’s Pfingstwochenende, wenn in Detmold mit dem Nordrhein-Westfalen-Tag 2012 der 66. Landesgeburtstag gefeiert wird; gleichzeitig mit dem Europäischen Straßentheater Festival. Außerdem gehört das ehemalige Land Lippe jetzt seit 65 Jahren zu Nordrhein-Westfalen. Genauso lange schmückt die lippische Rose unser Landeswappen. Lesen Sie hier, wie das Land des Herman zu Nordrhein-Westfalen kam:
Was sind schon 65 Jahre, wenn es vor dieser Zeit bereits eine über 800jährige Geschichte als Grafschaft, Fürstentum und Freistaat gegeben hat? Die erste urkundliche Erwähnung der Edelherren zur Lippe verweist auf das Jahr 1123. Bernard II. zur Lippe, Begründer der Landesherrschaft Lippe, baute 1192 die Falkenburg. Und doch: Wenn das stolze Land des Hermann im Jahr 2012 mit dem NRW-Tag seine 65jährige Zugehörigkeit zu Nordrhein-Westfalen feiert, hat das eine besondere, eine doppelte Bedeutung. Das große Fest der magischen Momente, das am Pfingstwochenende in Detmold gefeiert wird, bestätigt die Entscheidung vom 21. Januar 1947, sich dem Land Nordrhein-Westfalen anzuschließen. 65 Jahre danach bekräftigt es zudem den Stolz einer starken Region darauf, dass die lippische Rose seitdem das Landeswappen schmückt – auch wenn Ostwestfalen-Lippe stets wachsam darauf achtet, von der Landesregierung nicht vernachlässigt zu werden.
Das ehemalige Land Lippe hätte sich 1947 auch anders entscheiden können. Denn die britische Militärregierung ließ ihm die Wahl: Eingliederung in das Land Niedersachsen oder in das Bindestrichland Nordrhein-Westfalen. So verhandelte der legendäre Landespräsident von Lippe, Heinrich Drake, 1946 und 1947 mit den Landesregierungen beider Länder. Mit dem am 20. Dezember 1881 in Lemgo geborenen Hermann Heinrich Wilhelm (Taufname) Drake saß einer am Verhandlungstisch, dem der Aufstieg an die Spitze des lippischen Landespräsidiums nicht in die Wiege gelegt war. Erlernt hatte er den Beruf eines kaufmännischen Buchhändlers. Geprägt haben ihn sein sozialer Gerechtigkeitssinn, sein Bildungshunger und sein Drang zur Pflichterfüllung. Historiker schreiben ihm zu, immer die gemeinsame Geschichte und wirtschaftliche Verbundenheit des Lipperlandes in den Vordergrund gestellt zu haben. mehr
Seine konsequente Haltung zeigte Drake auch in den Verhandlungen mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Denn immerhin, die Eingliederung markierte das Ende der lippischen Selbständigkeit. Eine schwierige Situation für die Menschen im Land Lippe. Auch vor diesem Hintergrund verhandelte der letzte lippische Landeshauptmann als jemand, der seine Vorstellungen von einem geschlossenen Verwaltungs- und Kulturgebiet unbeirrt beibehielt. Und der das Landesvermögen dem lippischen Gebiet erhalten wollte. Diese Forderungen legte er den Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf (Niedersachsen: mehr) und Rudolf Amelunxen (Nordrhein-Westfalen: mehr) auf den Verhandlungstisch. Gleichzeitig war Heinrich Drake der Auftrag der britischen Militärregierung nicht genug. Er suchte auch die Zustimmung „seiner“ Bevölkerung. Mit dem Hinweis, die Bevölkerung mit auf den Weg zu nehmen, zog Drake als geschickter Taktiker die Verhandlungen in die Länge, versuchte, die beiden Ministerpräsidenten gegeneinander auszuspielen, wie in historischen Aufsätzen zu lesen ist.
Die Entscheidung über einen Anschluss Lippes hatte die britische Militärregierung getroffen. Jetzt aber nutzte Heinrich Drake die Chance, so viel wie möglich zu Gunsten Lippes durchzusetzen. So rang er auch um Detmold als Sitz des Regierungspräsidenten. NRW-Ministerpräsident Rudolf Amelunxen kam Heinrich Drake am weitesten entgegen. Die Forderungen des Landes Lippe mündeten in den so genannten Lippischen Punktationen (mehr). Das Vermögen des Landes Lippe, einschließlich der Stiftungen sowie der kulturellen und sozialen Einrichtungen, fiel nicht an Nordrhein-Westfalen, sondern verblieb dem lippischen Raum. Verwaltet wird dieses Vermögen seither vom Landesverband Lippe (mehr). Dessen Errichtung beschloss der Landtag in Düsseldorf per Gesetz am 5. November 1948, gleichzeitig mit dem Gesetz über die Vereinigung des Landes Lippe mit dem Land Nordrhein-Westfalen.
Detmold und der Kreis Lippe haben also allen Grund, als ehemaliges Land Lippe mit dem NRW-Tag 2012 selbstbewusst den Tag vor 65 Jahren zu feiern, an dem es seinen Beitritt zu Nordrhein-Westfalen beschlossen hat. Und die vielen Gäste, die am Pfingstwochenende „Magische Momente im Land des Herrmann“ erleben, werden feststellen: „Detmold ist die wunderschöne Stadt im Teutoburger Wald, die kulturell den ganz Großen des Landes in nichts nachsteht.“ Vielleicht wird der eine oder andere Gast das Heinrich-Drake-Denkmal vor dem Lippischen Landesmuseum in Detmold still grüßen und sich dessen bewusst werden, dass Ostwestfalen-Lippe und seine Menschen etwas ganz Besonderes sind. Etwas, worauf wir in Nordrhein-Westfalen stolz sind. Nicht nur des Hermann wegen.